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Meinung: Keine Genfer Diktatorentreffen

Deutschland setzt sich nicht genug für den Menschenrechtsrat ein Von Loubna Freih

Eine der wenigen positiven Ergebnisse des UN-Millenniumsgipfels war der Vorschlag, dass die ineffektive Menschenrechtskommission durch einen Menschenrechtsrat ersetzt werden soll. Seine Einrichtung wäre die bedeutendste Errungenschaft in der Geschichte der Menschenrechte seit ihrer Deklaration vor fast 60 Jahren. Deshalb hatte die Europäische Union diesem Vorhaben zunächst höchste Priorität eingeräumt.

Doch Deutschland scheint an dieser Reform nicht interessiert zu sein. Schlimmer noch: Obwohl sich die Bundesregierung öffentlich zu dem neuen Menschenrechtsrat bekennt, macht sie wegen ihres Strebens nach einem Sitz im Sicherheitsrat ihren Einfluss innerhalb der EU für die zügige Einrichtung des neuen Rates nicht geltend. Deutschlands eigensüchtiges Interesse an der UN-Reform hindert die EU sogar daran, positive Vorschläge zu unterbreiten, wie Diktatoren von der Teilnahme an Menschenrechtsinstitutionen ausgeschlossen werden können.

Einige EU-Regierungen beklagen jetzt das mangelnde Engagement der Union für die Umsetzung der Reform, weil sie wissen, dass es sich hier um die einmalige Chance handelt, die ineffiziente und mit Makeln behaftete Menschenrechtskommission zu ersetzen. Sollte diese Chance nicht genutzt werden, wird eine solche Gelegenheit kaum wiederkommen. Deshalb muss die Bundesregierung ein eindeutiges Zeichen setzen, dass sie die Errichtung einer glaubwürdigen Menschenrechtsinstitution ernst nimmt. Sie darf sich nicht in die Reihe der Menschenrechtsverletzer auf der ganzen Welt stellen, die die Errichtung eines Menschenrechtsrats verzögern wollen, vorzugsweise auf unbestimmte Zeit. In dem neuen Menschenrechtsrat könnte Simbabwe schwerlich Resolutionen blockieren, weil es sich auf die Unterstützung seiner regionalen Gruppen beruft – wie derzeit in der UN-Kommission. Ebenso wäre es für Kuba schwierig, die Misshandlungen in Guantanamo anzuprangern, während das Land gleichzeitig seine eigenen Regimekritiker für Jahre einsperrt. Auch die USA könnten endlich gezwungen werden, sich mit eigenen Menschenrechtsverletzungen auseinander zu setzen, wozu sie sich in der Kommission bisher nicht verpflichtet fühlen.

Worauf kommt es bei dem neuen Rat an? Der Menschenrechtsrat muss ein ständiges Organ sein, das ganzjährig tagt – und nicht nur sechs Wochen im März und April. Bis heute hat die Kommission das Massaker von Andischan in Usbekistan im Mai 2005, bei dem mehrere hundert Frauen und Kinder durch Regierungstruppen getötet wurden, nicht verurteilt. Auf derartige Krisen muss der neue Rat schnell reagieren können. Wegen der eigenen Legitimation willen dürfen in ihm nur Länder vertreten sein, die selber die Menschenrechte einhalten. Kofi Annans Vorschlag, dass die Mitglieder des neuen Rates von einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Generalversammlung gewählt werden müssen, dürfte Übeltäter von vornherein ausschließen. Das jährliche Spektakel der nach Genf reisenden Diktatoren, die sich gegenseitig kein Haar krümmen, hätte sich damit erübrigt.

Schon aufgrund der Zahl ihrer Mitglieder kommt der EU bei dieser Reform eine zentrale Bedeutung zu. Und Deutschland muss sicherstellen, dass die Europäische Union ihre Verantwortung auch wahrnimmt und ihre Menschenrechtsrhetorik in konkretes Handeln umwandelt. Die EU könnte viel erreichen, wenn sie ihre guten Beziehungen zu Ländern wie China, Russland, Ägypten und auch zur Afrikanischen Union nutzen würde. Da die letzte Phase der Verhandlungen begonnen hat, darf die EU sich nicht auf faule Kompromisse einlassen, die die neue Institution mit den gleichen Fehlern ausstatten würde wie ihre Vorgängerin. Der Präsident der Generalversammlung, Jan Eliasson aus Schweden, hat die schnelle Errichtung des Menschenrechtsrats vor kurzem einen „Test für den Multilateralismus“ genannt. Die europäischen Regierungschefs sollten seinen Worten folgen und diese einzigartige Gelegenheit nutzen. So können sie den Opfern weltweit neue Hoffnung geben und dem Multilateralismus neues Leben einhauchen – eine Vorstellung, die Deutschland doch sehr am Herzen liegen dürfte.

Die Autorin ist die Direktorin des Genfer Büros der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

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