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Kirche: Irgendwo zwischen Himmel und Erde

Alle reden über den Sozialstaat, nur die Kirchen nicht – die sind derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Die ganze Sache ist total verfahren. Gerade in einer Zeit, da es doch dringend Leitplanken geben muss in der Diskussion der Gesellschaft über Maß und Mitte, genauer: über die Frage, wie der Sozialstaat Deutschland künftig verfasst sein soll, fallen die Kirchen aus, die katholische und die evangelische. Weil sie zutiefst mit sich selbst beschäftigt sind. Damit passiert genau das, was nicht passieren durfte.

Die einen, die Katholiken, kämpfen an gegen ein düsteres Bild von ihrer Ewiggestrigkeit, von Patres im jahrhundertealten gestrengen und deshalb umstrittenen Zölibat, von Männern, sich selbst kasteiend und andere, wissend, was sie tun, wenn sie jungen, ihnen anvertrauten Menschen etwas antun. Das zusammengenommen wirkt auf viele, als sei die Kirche doch immer noch so wie vor Urzeiten, wozu Sittenlosigkeit gehört. Und über allem ein Papst, der den Weg in die Neuzeit nicht findet.

Die andere Kirche, die evangelische, die vermeintlich moderne, ist auch kein Trost. Verheddert sich in Peinlichkeit, um das Mindeste zu sagen, mit ihrer Diakonie, aber nun auch noch mit ihrer Ratsvorsitzenden. Gewählt wurde sie wegen Menschlichkeit, Bescheidenheit, Begabung zur Predigt, zum Ins-Gewissen-Reden. Das hat sie bei vielen getan, laut, vor ihrer Wahl, nach ihrer Wahl. Gerade erst in Richtung Guido Westerwelles; oder vorher über solche, die betrunken Auto fahren. Und wie steht Bischöfin Margot Käßmann jetzt da?

Als eine, die Wasser predigt und Wein trinkt. Mit ihrem Phaeton, ohne Fahrer, ausgerechnet … Nicht nur, dass der Wagen eine Edelkarosse ist – es ist so sinnfällig: Phaeton erbittet sich, schreibt Ovid in seinen Metamorphosen, einen Tag den Sonnenwagen lenken zu dürfen. Helios versucht, seinen Sohn davon abzubringen. Vergeblich, Phaeton besteigt, als die Nacht zu Ende geht, den kostbaren Wagen, das Viergespann rast los und gerät bald außer Kontrolle, Phaeton verlässt die tägliche Fahrstrecke zwischen Himmel und Erde und löst eine Katastrophe aus.

Man kann es so nennen, eine Katastrophe, oder bloß Versagen. Die, die ohne Parteilichkeit sein sollen, außer der für den Menschen und seine Sorgen; die, von denen darum umso bessere Orientierung erhofft wird, bieten stattdessen: einen Zustand der Verwirrung. Die katholische Kirche findet nur schwer zum Wesentlichen, schweigt von hoher und höchster offizieller Seite so lange, dass es wehtut. Als dächte sie nicht daran, dass es in unserer ohnedies säkularen Gesellschaft noch mehr Zweifler geben könnte, wenn sie Zweifel an ihrer Vertrauenswürdigkeit stehen lässt. Und wie will die evangelische Kirche dem begegnen, der ihre Glaubwürdigkeit anzweifelt, angesichts der Kluft zwischen Reden und Handeln?

Anstatt dass die Kirchen ein neues Sozialwort verfassen, aufbauend auf ihrer Tradition der katholischen Soziallehre und evangelischen Arbeitsethik, müssen sie ihre Betroffenheit in glättende Worte fassen. In Worte, die klingen wie die von Politikern in Erklärungsnot. Oder wie die von Pharisäern.

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