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Koalition in Berlin: Kleiner Bruch

Wowereitdämmerung über der Stadt: Rot-Schwarz in Berlin hält nur noch, weil niemand die Kraft für etwas anderes hat. Die Grünen freuen sich ein Loch in den Bauch.

Falls der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU in Berlin vom 23. November 2011 überhaupt noch gilt, haben beide Parteien am Mittwoch deutlich gemacht, dass sie ihn jederzeit zu brechen bereit sind. Die „Grundsätze der Zusammenarbeit“, Seite 98 ff., sind jedenfalls außer Kraft gesetzt. Die Partner stimmen ihre Arbeit in Parlament und Regierung laufend und umfassend miteinander ab? Schöner Schenkelklopfer. Im Abgeordnetenhaus und in den Ausschüssen stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab? Großes Gelächter.

In dieser Koalition, einst angetreten, „Berliner Perspektiven für starke Wirtschaft, gute Arbeit und sozialen Zusammenhalt“ zu schaffen, entgleitet die Wirtschaft in eine Nebenrolle, wird zunehmend schlecht gearbeitet, und der soziale Zusammenhalt erscheint innen, also unter den „Partnern“, wie außen, in der Stadt, stark gefährdet. Jeder gegen jeden, und jeder für sich – das ist das Bild, das die mühsam vor sich hin regierende Politik von sich zeichnet.

Gestörte Kommunikation

Die Symptome sind klar zu erkennen. Der Finanzsenator, aus seiner Sicht noch immer eine eigene Klasse, entscheidet im Hauruckverfahren die Rückeroberung der kommunalen Gasversorgung, zur Überraschung der CDU. Dann bekundet er vor Berliner Kaufleuten und Industriellen salopp, der von Hartmut Mehdorn und Klaus Wowereit verantwortete Geldverbrauch auf der Großbaustelle in Schönefeld gehe ihm „auf den Keks“. Schließlich versucht er, immerhin mit der SPD an seiner Seite, im Vermögensausschuss Grundstücke zu verkaufen, zum Teil zum Bau weiterer Eigentumswohnungen – ganz so, als hätte die Koalition nicht den Bau preisgünstiger Mietwohnungen versprochen und sei dafür auf der Suche nach passendem Boden. Die CDU, noch sauer über Nußbaums Solo beim Gas, stimmt mit Grünen, Linken und teils auch den Piraten dagegen. Eine verkehrt wirkende Welt: Sozialdemokraten, die dem Kapitalinteresse nachgeben, CDUler, die einen auf soziale Metropolenpartei machen. Mühsam wird bei einer Krisensitzung ein Kompromiss gefunden. Wie lange der trägt? Erst einmal bis zum Abend.

Die Kommunikation zwischen CDU und SPD, vor allem aber die zwischen Frank Henkel und Klaus Wowereit, ist jedenfalls schwer gestört. Entlang der großen Misserfolgs- und Verunsicherungsgeschichten BER und Tempelhof, aber auch solcher Dauerbrenner wie der Flüchtlingsfrage, zieht sich eine Spur des Misstrauens durch die Stadt, verursacht durch Nichtinformation und Konfrontation. Aber auch innerhalb der SPD geht es rund, vor allem wegen der einsetzenden Wowereitdämmerung.

Am Rande stehen die Grünen und freuen sich ein Loch in den Bauch. Sie haben nicht vergessen, wie Wowereit sie abserviert hat, bevor er sich der CDU zuwandte. Sie haben noch im Ohr, wie der Regierende ihre Vorsitzenden öffentlich deklassierte, als er rief, ihm fielen gerade deren Namen nicht ein.

Mit dieser Fraktion dieser Namenlosen und den Piraten hätte die CDU genug Stimmen, Wowereit zu stürzen, als vermeintliche Übergangszwangsgemeinschaft für den sozialen Zusammenhalt. Aber diese Gemeinschaft gibt es nicht. So reicht es nur für einen kleinen Bruch des Koalitionsvertrages. Die CDU hat Zeit, aber sie braucht auch noch Zeit. Die der SPD dagegen läuft ab, wenn das so weitergeht.

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