zum Hauptinhalt

Koalition: Schleichendes Gift

Die Koalition befindet sich in einem ungeheuren Unzustand. Fortlaufend Streitereien oder Nickligkeiten. Wer hätte gedacht, dass Schwarz und Gelb, diese vermeintlichen Wunschpartner, so wenig miteinander anzufangen wüssten?

Und wer hätte gedacht, nach nicht einmal hundert Tagen im Amt ohne rechte Würde, dass dieses Bündnis seinen Höhepunkt womöglich schon überschritten haben könnte, bevor es überhaupt dazu kam? Das erinnert an Rot-Grün, die erste Auflage, 1998. Da war das sogenannte Projekt auch keines mehr, die Zeit war bereits darüber hinweggegangen, als es dann doch noch beginnen sollte.

Wie die Koalitionäre, in ihrer Mehrzahl versierte, zum Teil auch ausgebuffte Politiker, sehenden Auges solchen Mist produzieren können wie den vermaledeiten Hotelrabatt, bleibt unbegreiflich. Nicht nur, dass das Thema ein Geschmäckle hat, wie die Baden-Württemberger sagen würden (die den Rabatt in der FDP ja erst richtig groß gemacht haben und auch jetzt noch stramm verteidigen). Es ist außerdem so kompliziert, dass es für den Bürger-Wähler zu schwer zu verstehen ist, als dass er es richtig gut finden könnte (wie der FDP-Vize eben erst bänglich festgestellt hat). Damit wird kein Wachstum gefördert, sondern Verdruss. Und das musste sich die Koalition von niemand geringerem sagen lassen als dem Bundestagspräsidenten, dem Christdemokraten Norbert Lammert. Auch nicht schön.

Aber wenigstens sagt mal einer, was Sache ist. Denn es kann doch jeder sehen – der es sehen will –, was los ist. Die Übermüdung der Bundeskanzlerin droht chronisch zu werden. Und aus Übermüdung kann Überdruss werden. Angela Merkel hat sich das Ganze sicher anders vorgestellt, gut abzulesen an ihren jüngsten Äußerungen, dass diese Legislaturperiode gewiss nicht leicht wird. Wenn sich dieser Eindruck erst einmal festsetzt, dann leitet sich daraus irgendwann das Gefühl der institutionalisierten Überforderung gab. Mag nicht jeder im Land jede Wendung der Politik nachvollziehen oder verstehen – die Stimmung teilt sich doch mit, subkutan. Die Wirkung ist wie bei schleichendem Gift.

Und nun stellen wir uns kurz vor, dass im bevölkerungsreichsten und industriestärksten Bundesland, in Nordrhein-Westfalen, bei dessen „kleiner Bundestagswahl“ im Mai Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr erhält. In NRW, das immer, geradezu aus Tradition, Vorläufer für große neue Entwicklungen im Bund war! Diese Alternativen sind in Düsseldorf möglich und aufregend: Rot-Rot-Grün, einerlei, was die SPD heute sagt; wenn sie die Macht zurückholen kann, wird sie es tun. Oder aber: Schwarz-Grün. Ja, genau, in NRW. Nicht Jamaika, das will keine von den kleineren Parteien dort, sondern wie in Hamburg. An den Grünen würde das, nach allem, was zu hören ist, nicht scheitern.

Dann gäbe es kein Halten mehr, jedenfalls nicht so einfach. Das Bündnis im Bund käme zusätzlich zu dem gegenwärtigen so sehr unter neuen Druck, dass es darunter sogar zusammenbrechen könnte. Zumal der FDP immer noch weitere Verluste drohen. Sie ist in der Zwickmühle: Hat Standfestigkeit versprochen, ist dafür vorab entlohnt worden und müsste es darum bleiben, kann zugleich aber ohne Geschmeidigkeit nicht mitregieren. Die FDP hat ja nicht 30 Prozent. Da bleibt nicht aus, dass am Ende fast alle irgendwie von ihr enttäuscht sind.

Wie von dieser Koalition schon nach hundert Tagen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false