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Kochs Rückzug: Ins Eingemachte

Angela Merkel hat den Rücktritt Roland Kochs "mit großem Bedauern" zur Kenntnis genommen. Sie wird den Vorteil, den nächsten westdeutschen Parteikonkurrenten aus dem Weg geräumt zu haben, nicht wirklich genießen können.

Roland Kochs überraschender, eleganter, infamer, erfrischender und einzigartiger Rückzug hat vor allem eines zur Folge: das politische Vakuum in Deutschland wird größer. Koch war einer, der wirklich Politik machen wollte – und von denen gibt es merkwürdigerweise nicht viele in diesem Land. Dass gerade er aufhört, freiwillig, ist kaum zu glauben.

Koch macht offenbar das Beste daraus, dass er unter den gegebenen Umständen keine politische Zukunft mehr hat. Seine Wiederwahl in Hessen ist unwahrscheinlich, der Job des Finanzministers, wenn er ihn überhaupt wollte, nicht verfügbar, und die Möglichkeit, noch einmal richtig Geld zu verdienen, sehr real. In dieser Abwägung ist Kochs Rücktritt nicht nur nachvollziehbar, sondern geradezu wohltuend. Denn er strahlt mehr Liberalität aus als alles, was Politiker sonst so für liberal verkaufen. Er ist Ausdruck des Willens, das eigene Leben selbst zu bestimmen. Statt Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington zu werden, legt Koch alle Ämter und Mandate nieder; er gibt den Bezugsrahmen seines bisherigen Lebens auf. Ein solcher Schritt ist, auch wenn Koch sanft fallen dürfte, für jeden Menschen mutig.

Koch geht aber mitten in einer großen Krise für das Land und für seine Partei. Wenn er zum letzten Mal die Grundsätze seiner Politik beschreibt, das christliche Menschenbild und die soziale Dimension wirtschaftlichen Wachstums, wenn er betont, dass es ihm gelungen sei, eine bürgerliche Mehrheit zu etablieren, dann öffnet er für alle sichtbar die Leerstellen der Merkel’schen Politik. Geradezu infam beschreibt er, der formal stets loyal war, wie schön schwarze, wie schön sogar schwarz-gelbe Politik sein kann. Der elegante Auftritt dieses nie besonders sympathischen Mannes ist deshalb auch Dokument des eigenen Scheiterns. Er ist schließlich nie als Ringrichter gewählt worden, der Noten verteilen soll, sondern als Faustkämpfer, der auf den Gegner hauen soll und nicht auf den Gong. Er hoffe, sagt Koch pathetisch, dass seine Kinder in einer Welt von Frieden, Freiheit und Wohlstand leben werden. Sein Rückzug aus der Politik bedeutet auch, dass er nicht mehr bereit ist, selbst für diese Ziele zu kämpfen. Er zieht sich auch aus seiner Verantwortung zurück.

Angela Merkel hat den Rücktritt Kochs „mit großem Bedauern“ zur Kenntnis genommen. Sie wird den Vorteil, den nächsten westdeutschen Parteikonkurrenten aus dem Weg geräumt zu haben, nicht wirklich genießen können. In Koch verliert die Bundeskanzlerin jenen Mann, der wie kein anderer in der CDU die Partei verkörpert. Ihm, der den Provokateur, den Standhaften, mitunter auch den Konservativen geben kann, wollte die Partei stets gern folgen, selbst in den kritischen Tagen nach der Hessen-Wahl. Die vermeintliche Leichtigkeit, mit der ein christdemokratischer Ministerpräsident geht, zeigt, wie schwach der innerparteiliche Zusammenhalt der CDU geworden ist.

Die Kanzlerin sieht sich als schwäbische Hausfrau. Sie ist aber eine, die nichts einweckt, sondern vom Eingemachten lebt. Nun ist wieder ein Weckglas aufgebraucht und die personelle und inhaltliche Vorratskammer der CDU und ihrer Chefin erscheint so gut wie leer. Denn bei allen Peinlichkeiten und Skandalen, die seine Karriere begleitet haben: Koch ist einer, der einkocht – im Notfall sogar zusammen mit dem Gegner. Nun hat er sich den Umständen gefügt, die er offenbar nicht verändern konnte.

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