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Kolumne "Einspruch": Was man erwarten muss

Wen Dame Edna auf die Bühne bat, der wusste, in wenigen Minuten würde er zur Lachnummer. Neben ihr, die selbst die Karikatur einer Drag Queen war, blieb niemand die Persönlichkeit, als die er eingeladen oder angekündigt war.

Wen Dame Edna auf die Bühne bat, der wusste, in wenigen Minuten würde er zur Lachnummer. Neben ihr, die selbst die Karikatur einer Drag Queen war, blieb niemand die Persönlichkeit, als die er eingeladen oder angekündigt war. So weit bekannt, pflegten ihre Gäste nicht, sie nach der Show zu verklagen. Obwohl sie in ihrer 60-jährigen Karriere niemanden aufklärte, was ihn erwartete. Keine Hinweise gab auf Folgen oder Traumata. Hauptsache, das Publikum lachte.

Dame Edna, das Bühnen-Alter-Ego des australischen Komikers Barry Humphries, hat sich vor ein paar Monaten eine Auszeit verordnet, vermutlich eine permanente. Ihrer Kunst ist es wie jeder Kunst ergangen, die Popularisierung erfährt, sie ist keine mehr. Sich über Leute lustig zu machen ist schwer; sich über sie herzumachen, ist es nicht. So wurde dies zum Spaßprinzip der TV-Unterhaltung. Jeder, der da mitmacht, vor oder hinter der Kamera, weiß, was kommt.

Halt!, ruft da das Landgericht Berlin und wirft sich schützend vor eine Frau, die sich für das RTL-II-Format „Frauentausch“ bereitgestellt hatte. Die Sendung bezieht ihren Reiz daraus, Frauen dabei zuzusehen, wie sie zurechtkommen, wenn Haushalt und Familie wechseln. Die Ausgabe mit der Klägerin ist eine mit Musik, Off-Kommentaren und grafischen Elementen unterlegte Herabwürdigung.

Das war zu viel, meinten die Richter. Die Frau sei von einem dokumentarischen Format ausgegangen und intellektuell überfordert gewesen, was die Fernsehmacher hätten erkennen müssen. Also habe sie, rechtlich betrachtet, nicht in die Ausstrahlung eingewilligt.

Lobenswert daran ist, für Schwächere Partei zu ergreifen und miese TV-Unterhaltung zu geißeln. Doch ansonsten geht das Urteil ebenso wie viele Fernsehformate, die als Dokumentation angekündigt werden, an der Wirklichkeit vorbei. Zum einen war es wohl tatsächlich so, dass im Haushalt der Klägerin einiges im Argen und zum Beispiel Sperrmüll im Garten lag, wie das Urteil feststellt. Insofern war die Doku eine Doku. Zum anderen gilt das Dame-Edna-Prinzip. Die Frau dürfte gewusst haben, worauf sie sich einließ. Schließlich: Intellektuell Überforderte bloßzustellen ist ein Wesensmerkmal des TV-Entertainments. Im Staatsrundfunk vergangener Tage erhoben sich die Eliten über die Massen. Im Privatrundfunk von heute erheben sich die Massen über die Schwächsten.

Die Frau verdient Schutz, die Frage ist nur, welchen. Für ihre Teilnahme hatte sie 1500 Euro bekommen. Wenn Geld fließt, wird jede Dokumentation zur Show. Das weiß jeder, der sich mit solchen Formaten amüsiert, auch die Klägerin. Wenn das alles so schlimm sein soll, sollte es künftig besser einen Warnhinweis wie auf Zigarettenpäckchen geben: Die Teilnahme an dieser Sendung kann sozial tödlich sein.

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