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Autor Matthias Kalle.

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Kolumne "Ich habe verstanden": Taktik allein macht noch keine Medaille

Statt auf Taktik, sollten die deutschen Trainer bei Olympia vielleicht lieber auf sportliche Leistungen setzen, meint Kolumnist Matthias Kalle. Dann klappt's vielleicht auch öfter mit der Medaille.

Wenn Sie nach dem Lesen des kommenden Satzes meinen, es ginge jetzt um Hitler und so, machen Sie sich bitte keine Sorgen, denn es geht nicht um Hitler und so. Die Deutschen und das Thema Taktik – das ist keine glückliche Verbindung, schon lange nicht mehr, manchmal in der Vergangenheit hat das auch nicht wirklich geschadet, sondern eher zum Guten geführt.

Im Moment aber führt das Taktikverständnis der Deutschen eher zum Schlechten – bei den Olympischen Spielen kann man sich das zum Beispiel gerade anschauen. Es gibt ja im Prinzip für jede Sportart Taktiktrainer, beziehungsweise Cheftrainer, die glauben, sie hätten großes taktisches Verständnis. Vor einigen Wochen bewies im Fußball der Bundestrainer Joachim Löw, dass eine vermeintlich ausgeklügelte Taktik direkt zur Niederlage führt: Löws Taktik gegen Italien ging bekanntlich nicht auf.

Bei den olympischen Schwimmwettbewerben ging überhaupt nichts auf, aber vieles ging unter, vor allem die deutschen Schwimmer. Das lag – vor allem – daran, dass sie nicht so schnell schwimmen können wie die anderen, das lag aber auch an der Taktik, die die Trainer vorgaben, jedenfalls wenn man den Trainern glauben will. Der Trainer von Paul Biedermann nahm das Aus des Schwimmers in der Vorrunde auf seine Kappe, er habe die falsche Taktik gewählt. Das spricht nur scheinbar für den Trainer, tatsächlich bedeutet dieses Schuldeingeständnis: Ich bin eigentlich ein Taktikfuchs, während der Schwimmer eine hohle Nuss ist – der hat zu tun, was ich sage, weshalb ich eigentlich die Medaille bekommen sollte, wenn die Taktik aufgeht. Die Schwimmtrainer bekommen ihr Gehalt vom Verband, das Geld kommt von der Sporthilfe, das Innenministerium – zuständig für den Sport – hat da auch ein Wörtchen mitzureden, und der Innenminister ist ja gerade in Rausschmeißlaune, aber das nur so nebenbei.

Die Taktik der anderen Schwimmern ging dagegen auf, sie schien auch nicht ganz so verschwurbelt zu sein: ins Wasser springen, losschwimmen, erst wieder aufhören, wenn man an die Wand geklatscht hat. Muss man jetzt nicht nächtelang drüber brüten, aber vielleicht denken manche Trainer ja auch, sie seien unterbezahlt, wenn sie sich nicht für jedes Rennen fünf verschiedene Taktiken überlegen.

Ich glaube, ich wäre ein ganz guter Taktiktrainer – so wie ich auch immer dachte, ich wäre in der Formel 1 der richtige Mann für die Renntaktik: Schnell fahren, wenn es geht überholen, wenn der Tank fast leer ist: tanken. Ich weiß, ich bin eher ein Typ für die einfachen Lösungen, aber das muss ja nicht immer verkehrt sein.

Aber seit einer Woche habe ich einen neuen Traumjob: Ich wäre gerne Chef de Mission. Nicht nur wegen des Titels – ich glaube, der Job würde auch gut zu mir passen, ich bin ja eher der diplomatische Typ. Im Moment ist Michael Vesper Chef de Mission – hätte der wahrscheinlich früher auch nie geglaubt. Vesper gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Grünen, er war stellvertretender Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und ist seit 2006 Sportfunktionär. Er war bereits in Peking 2008 Chef de Mission, damals machte er eine unglückliche Aussage über Internetsperren in China, das war nicht keine diplomatische Meisterleistung, in London steht der Mann vor anderen Problemen, aktuell die mögliche Verbindung einer deutschen Athletin ins rechtsradikale Milieu. Vor allem aber: die Taktikbessenheit deutscher Trainer.

Ich könnte helfen, das Schreiben einer Kolumne hat ja auch mit Taktik zu tun: Mit dem ersten Satz wird irritiert, mit dem zweiten attackiert, danach folgt das eigentliche Thema mit einem kleinen Ausflug zu etwas völlig Nebensächlichem. Danach ein guter Witz, eine Schlussfolgerung und schließlich noch was Versöhnliches zum Abschluss.

Aber eigentlich finde ich die Olympischen Spiele bis jetzt ganz gut.

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