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Autor Matthias Kalle.

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Kolumne "Ich habe verstanden": Was ist eigentlich „gutes Deutsch“?

„Dschammeeka“ statt Jamaika. ARD-Reporter Wilfried Hark hatte während einer Sportübertragung das Land Jamaika so ausgesprochen, wie es Amerikaner aussprechen. Das brachte ihm viel Ärger ein, Reporter sollten schließlich „gutes Deutsch“ sprechen. Aber was ist das eigentlich?

Ich habe im Tagesspiegel ein sehr interessantes Interview gelesen, es stand auf der Medienseite, Joachim Huber führte es mit Walter Krämer, dem Vorsitzenden des Vereins deutscher Sprache (VDS). Es ging darum, dass der VDS erstmals seinen „Dschammeeka“-Preis verliehen hat an den ARD-Reporter Wilfried Hark. Hark hatte während einer Sportübertragung das Land Jamaika so ausgesprochen, wie es Amerikaner aussprechen würden, nämlich „Dschameeka“. Der VDS über diesen Preis: „Damit zeichnen wir ab jetzt Reporter aus, die bei sportlichen Großereignissen am konsequentesten die deutsche Aussprache von Orts-, Länder- und Personennamen vermeiden.“ Auf der, Verzeihung, „Homepage“ des Vereins heißt es weiter: Weder die französischen noch die spanischen noch die italienischen Reporter biederten sich derart unterwürfig dem angelsächsischen Ausland an. Eine Urkunde mit Begründung ist an den Empfänger des Preises unterwegs.

Mhmm. Im Interview wird Krämer gefragt, was die 16.000 Mitglieder des Vereins täten, um die Ziele des VDS praktisch durchzusetzen. Seine Antwort: „Ganz einfach: Die deutsche Sprache benutzen und diejenigen, die durch extreme Sprachilloyalität auffallen, auf diese peinliche Illoyalität hinweisen. Denn im Ausland wird dieses Anbiedern an andere genau als das empfunden, was es ist: eine peinliche Missachtung der eigenen Heimat und Kultur.“

Sprachilloyalität. Habe ich sofort, Entschuldigung, „gegoogelt“ und einen Aufsatz von Wolf Peter Klein gefunden. Darin schreibt der Mann: „Sprachloyalität ist etwas Gutes, insofern sie nicht zuletzt dem Spracherhalt dient; Sprachilloyalität ist etwas Schlechtes, insofern damit ein Verhältnis der Missachtung und der Vernachlässigung verbunden ist, das am Ende sogar zum Untergang von Sprachen führen kann.“

Herrje! Nachdem wir doch gerade erst den Schock überwunden haben, dass die Deutschen langsam – aber wohl doch ziemlich sicher – aussterben werden, könnte es vorher schon die deutsche Sprache treffen! Dabei kann das doch eigentlich gar nicht sein, so viele Deutsche kaufen doch die Bücher von Bastian Sick und beschäftigen sich in ihrer Freizeit mit dem Genitiv und dem Dativ, und lachen sich kaputt über den Verwendung des Apostroph-S. Ja, und lesen die Deutschen nicht nach wie vor in einer beruhigenden Zahl Bücher, im Moment doch gerade vor allem „50 Schattierungen von grau“ oder wie das heißt?

Vielleicht erkenne ich die Zeichen nicht, aber mir ist nicht angst und bange um die deutsche Sprache, ich glaube, die deutsche Sprache verkraftet Ausdrücke wie „Handy“ und „Public Viewing“, so wie die englische Sprache das Wort „Kindergarten“ verkraftet. Vielleicht sollte man sich eher darüber Gedanken machen, ob „korrektes Deutsch“ auch gleichzeitig „gutes deutsch“ ist – oder anders: Was genau soll das eigentlich sein, „gutes Deutsch“?

Meine Loyalität gehört einer lebendigen, spannenden Sprache – einer Sprache, die mir etwas erzählt, einer Sprache, die ich gerne lese, der ich gerne zuhöre, die mich ein bisschen schlauer macht, die mich informiert und unterhält. Und ich glaube auch, dass zu einer lebendigen, spannenden Sprache gehört, dass sie sich verändert, dass sie wächst, dass sie sich da, wo es Sinn macht, Anregungen aus anderen Sprachen ausleiht und sie gegebenenfalls übernimmt. Ich glaube, das bereichert Sprachen eher, als dass es ihnen schadet – vor allem, wenn sich die wahre Herkunft kaum noch herleiten lässt, so wie sich einige hebräische Wörter durch das Jiddische in die deutsche Sprache gemogelt haben. Es wäre doch meschugge, blanker Stuss, wenn wir uns keinen guten Rutsch mehr wünschen könnten, wenn es nicht wie Hechtsuppe ziehen würde, wenn es keine Ganoven mehr geben würde.

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