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Kommentar: Das Kosovo steht nicht allein

Dieses Gericht hat Mut. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag in seinem Gutachten so klar zu dem Votum kommen würde, dass die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Jahre 2008 nicht mit dem Völkerrecht kollidiert.

Dieses Gericht hat Mut. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag in seinem Gutachten so klar zu dem Votum kommen würde, dass die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Jahre 2008 nicht mit dem Völkerrecht kollidiert. Das Urteil hat zwar keine rechtliche Bindekraft, aber es wird Autonomiebestrebungen anderswo auf der Welt ermuntern.

Hier das Selbstbestimmungsrecht der Völker, dort das Recht eines jeden Staates auf territoriale Integrität – nirgendwo in Europa sind diese grundlegenden Prinzipien des Völkerrechtes in den letzten 100 Jahren so anhaltend und so oft gebrochen worden wie auf dem Balkan. Nirgendwo kollidieren beide Ansprüche auch immer wieder so heftig. 69 Staaten, darunter 21 EU-Mitglieder, haben die staatliche Souveränität der ehemaligen serbischen Provinz bislang anerkannt. Deutschland und die USA gehören dazu. 120 andere Nationen verweigern diese Anerkennung bis heute, darunter Russland, China und Spanien. Warum sie sich sträuben, liegt auf der Hand. Was den Kosovaren recht ist, könnte man den Kaukasusvölkern, den Tibetern und den Basken kaum verweigern.

In demokratischen Ländern wie Spanien haben ethnische Minoritäten im Lauf der Jahrzehnte einen Grad der Autonomie erreicht, der gewaltsames Aufbegehren gegen die Zentralgewalt als unverhältnismäßig erscheinen lässt. In diktatorischen Regimen ist das anders. China will bis heute die kulturelle und historische Identität der Tibeter brechen. Die Bilder aus Grosny, der von russischen Truppen zerstörten tschetschenischen Hauptstadt, gingen um die Welt.

Kosovo hätte ohne die massive Hilfe der USA und der Westeuropäer und den Schutzschirm der Nato keine Chance auf Loslösung von Serbien gehabt, denn auch hier gibt es eine Vorgeschichte brutaler Gewalt. Serbisches Militär hatte bis 1999 fast 800 000 Albaner aus dem Kosovo vertrieben, um die Region „ethnisch sauber“, also serbisch zu machen. Serbisches Dominanzstreben ist die Hauptursache der meisten Konflikte auf dem Gebiet der früheren Republik Jugoslawien. Das serbische Massaker an 8000 bosnischen Muslimen in Srebrenica 1995 und die 1425 Tage währende Belagerung und Blockade Sarajevos, bei der zwischen 1992 und 1996 mehr als 10 000 Menschen umkamen, waren traurige Marksteine dieser Kriege.

Die Republik Serbien war lange nur sehr zögernd bereit, die historische Mitverantwortung für die Gräuel anzuerkennen. Das ist die wesentliche Erklärung für den Kampf der Kosovaren um Unabhängigkeit und die anhaltende westliche Unterstützung dafür.

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