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Kommentar: Einmal Bundespräsident, immer neutral

Horst Köhler kann kein normaler Kandidat sein. Hier lesen Sie, warum!

Was soll schon dabei sein, wenn ein Bundespräsident, der für eine zweite Amtszeit bereitsteht, sich mit einer Gegenkandidatur auseinandersetzen muss? Ist das nicht der demokratische Normalfall? Hat doch auch Horst Köhler gesagt: „Einen demokratischen Wahlkampf braucht niemand zu fürchten.“ Aber indem er hinzufügte, er setze dabei auf seine große Popularität in der Bevölkerung, provozierte er selber ein Missverständnis. Es handelt sich bei der Wahl des Bundespräsidenten eben gerade nicht um eine populistisch-demokratische Normalwahl, sondern um einen Akt sui generis.

Nur die Gegenkandidatin kann offensiv Werbung betreiben

Als im Jahre 2004 Horst Köhler und Gesine Schwan gegeneinander antraten, waren sie beide einfache Vertreter von Kräftekonstellationen. Ist aber jemand erst einmal zum Staatsoberhaupt gewählt worden, hat er sich aus der Befangenheit des parteipolitischen Hintergrundes zu lösen und als pouvoir neutre Repräsentant aller Deutschen zu sein. Aus dieser Neutralität kann kein sinnvoller Weg zurück in die „normale“ Auseinandersetzung zwischen zwei gleich und frei beweglichen Bewerbungen führen. Einer der Bewerber muss eben als amtierender Präsident noch ein Jahr lang strikt neutral den Oberdeutschen abgeben, wohingegen die Gegenkandidatin diesmal die ganze Zeit als Vorbotin einer rot-roten Konstellation offensiv Werbung betreiben kann – und muss.

Horst Köhler könnte im Fall einer Gegenkandidatur machen, was er wollte – es würde allein unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, wie er damit Gesine Schwan ausstechen will. Man stelle sich nur vor, die große Koalition wollte auf der letzten Strecke platzen und die Kanzlerin auf Neuwahlen zusteuern: Wie sollte man Horst Köhler dann eine absolut neutrale Entscheidung abnehmen? Und um nur nebenbei von den praktischen Risiken für die SPD zu reden: Die CSU fände in Bayern ihr Wahlkampfthema, die Hessen müssten noch vor Mai 2009 einen neuen Landtag mit einem dann wieder auflebenden Roland Koch wählen – schon sähe die Bundesversammlung so aus, dass die SPD und Gesine Schwan von all dem Manövrieren nur das Odium der versprechenswidrigen rot-roten Kooperation im Bunde und gegen den Präsidenten geerntet hätten.

Kämpfe und Krämpfe geschehen lassen

Wie aber wäre bei einer im Einzelfall nicht von Vornherein ausgeschlossenen Wiederwahl eines amtierenden Bundespräsidenten vorzugehen? Im britischen Parlamentarismus verfährt man mit dem Sprecher des Unterhauses wie folgt: Ist er (oder sie) gewählt, wird er der normalen Machtauseinandersetzung enthoben – und zwar so weit, dass im betreffenden Wahlkreis nicht einmal ein Gegenkandidat aufgestellt wird, jedenfalls solange es gut geht. Übertragen auf unsere Verhältnisse würde dies bedeuten: Die verantwortlichen Parteiführer sondieren beizeiten untereinander diskret die Lage, um zu sehen, ob eine konfrontationsfreie Wiederwahl möglich ist und gewünscht wird – und der Bundespräsident kann daran ablesen, ob er noch einmal antreten sollte oder nicht. Tut er dies, dann sollte es ohne die gegenwärtigen Kämpfe und Krämpfe geschehen können. Nur so lässt sich vermeiden, dass der neutrale Präsident zurück in die polemische Arena gestoßen wird; es setzt allerdings voraus, dass er nicht selber eine politische Agenda verfolgt, die nur in dieser Arena verhandelt werden kann.

Apropos Krämpfe – und diese Bemerkung muss ich doch noch loswerden: Falls sich 2009, zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer, eine ausgewiesene Antikommunistin und die SPD abhängig machten von einer Partei, zusammengesetzt aus den Erben der Mauermacht und dem westdeutschen Populisten Lafontaine, der dem Mauerfall nichts abgewinnen wollte – das hielte ich dann doch für einen der makabren Zwischenfälle der deutschen Geschichte.

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