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Kommentar: Horst Köhler fordert …

Die Trefferzahl bei Google für die Suchwortkombination "Horst Köhler fordert“ liegt bei gut 77.000, doppelt so viel wie für "Bischof Huber fordert“. Fast achzig Prozent der Deutschen sind mit dem Bundespräsidenten zufrieden - schließlich hat er eine Forderung für jeden, meint Lorenz Marold.

Der Bundespräsident fordert also zu Weihnachten ein neues Miteinander von Jung und Alt. Damit treibt er die Trefferzahl bei Google für die Suchwortkombination „Horst Köhler fordert“ auf gut 77.000, doppelt so viel wie für „Bischof Huber fordert“. Im Folgenden ein kleiner Blick auf Köhlers Forderungskatalog, unvollständig und unsortiert nach Zeit und Raum.

Horst Köhler fordert: mehr Reformen, mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Respekt vor ostdeutschen Lebensläufen, ein Ende des Dalai-Lama-Streits, mehr Fairness gegenüber Entwicklungsländern, gute Bildung für alle, mehr Elitenbildung, ein bisschen mehr Ehrlichkeit, mehr Zivilcourage, eine Kultur der Mäßigung, einen Dialog der Kulturen, Religionsunterricht, eine Lösung des Klimaschutzproblems im Rahmen der UN, eine neue Familienpolitik, ein Gesetz zur Patientenverfügung, mehr Sachlichkeit, mehr Bürgernähe, Kampf gegen Extremismus, eine Wertediskussion, mehr Mut zu Veränderungen, mehr Neugier, mehr Engagement von Unternehmen für die Gesellschaft, mehr Klarheit und Wahrheit in der Politik, Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit, eine vertiefte Debatte über den Herbst ’89, auf das unsichtbare Preisschild zu achten, die Ängste in Polen und Tschechien ernst zu nehmen, mehr Verantwortungsbewusstsein von Managern, den Ausbau der Privatvorsorge, mehr Kinderfreundlichkeit, mehr Miteinander von Behinderten und Nichtbehinderten, Mut der Bundesregierung zu konsequenter Erneuerung, eine Vorfahrtsregel für Arbeit, mehr Besonnenheit bei Auslandseinsätzen, neue Gründerjahre, eine Debatte über die Trennung von Nachricht und Werbung, mehr Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivvermögen, eine neue Grundlage für das Verhältnis von Europa und Afrika, Respekt und Toleranz gegenüber anderen Religionen, weitere harte Schnitte ins soziale Netz (um Köhlers Forderung nach ein bisschen mehr Ehrlichkeit gerecht zu werden: Diese Forderung stammt aus dem Jahr 2003), ein neues Freiheitsverständnis, die Abkehr von fossilen Energieträgern, mehr Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement …

An dieser Stelle unterbrechen wir für aus Platzgründen für einen letzten Absatz. Horst Köhler fordert auch, Deutschland solle ein Land der Ideen sein. Nur von ihm sind keine zu hören, stattdessen repräsentiert er gnadenlose Beliebigkeit. Notfalls unbequem zu sein hatte er versprochen, und das ist er zuweilen – für die Parteien, die ihn unterstützten. Doch das waren Weizsäcker, Herzog und andere auch. Nur hatten die dazu eine Haltung. Köhler dagegen lässt sich dorthin treiben, wo er Zustimmung vermutet. Dass mehr als achtzig Prozent der Deutschen mit seiner Amtsführung zufrieden sind, ist folgerichtig: Köhler hat fast jeden Deutschen mit mindestens einer Forderung präsidial umarmt. Dass er mehr direkte Demokratie fordert, also zum Beispiel die Volkswahl des Präsidenten, ist fatal: Das Land würde in der Köhler’schen Konsenssuppe ersaufen. So ist er selbst das beste Argument gegen seine eigenen Forderungen.

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