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Porträt: Pinar Selek: "Ich bin eine Revolutionärin"

Sie ist Soziologin, Autorin und Feministin, und sie versteht sich als politische Aktivistin. In den letzten Jahren ist Pina Selek in ihrer Heimat Türkei zum Symbol geworden. Seit 1998 wird sie von der türkischen Justiz als Terroristin beschuldigt.

Ein Bombenanschlag wird ihr zur Last gelegt, obwohl verschiedene Gutachten zu dem Resultat gelangten, es habe gar keine Bombe gegeben. Zweieinhalb Jahre lang saß sie in Präventivhaft, wurde gefoltert, ihre Unterlagen wurden beschlagnahmt. Selek wurde angeklagt und zwei Mal freigesprochen. Derzeit läuft erneut ein Verfahren gegen sie, lebenslängliche Haft ist in Aussicht gestellt. Seit vergangenem Jahr lebt Selek im Exil in Deutschland, seit Dezember ist sie in Berlin Gast des PEN-Clubs. An diesem Dienstag stellt sie in der Heinrich-Böll-Stiftung ihr neues Buch vor.

„Ich bin heterosexuell und habe mich trotzdem sehr intensiv mit der Situation der Homosexuellen befasst“, umschreibt die temperamentvolle Frau lächelnd ihre Situation. „Ich bin eine Türkin und habe auch über die Probleme der Kurden und der Armenier Bücher und Aufsätze geschrieben“, fügt sie hinzu. Sie sei gewaltlos, betont sie, doch die Situation der Kurden sei unerträglich. Einer Partei gehöre sie nicht an, in einer Abendveranstaltung bezeichnete sie sich kürzlich in Berlin als Revolutionärin.

Ihr neues Buch („Zum Mann gehätschelt. Zum Mann gedrillt. Männliche Identitäten.“ Orlanda Verlag) ist eine Anklage gegen die Militarisierung einer Gesellschaft, die offenbar weit von demokratischen Strukturen entfernt ist. Selek lässt rund sechzig junge Türken zu Wort kommen, um ihre Erfahrungen beim Militär zu dokumentieren. Die Persönlichkeit der jungen Männer solle gebrochen werden, stellt sie fest, „abgebrüht“ sollten sie ins weitere Leben entlassen werden. Gewalt, Demütigungen, ohnmächtige Wut, Angst, eiserne Disziplin und die Faszination für Waffen würden erlernt, den (obligatorischen) Militärdienst müsse man als traumatisch bezeichnen.

Liest man ihr Buch, dann scheint die Türkei weiterhin vor einem langen, steinigen Weg zu zivilen Strukturen zu stehen. In ihrer Heimat wird Pinar Selek von Schriftstellern wie Orhan Pamuk, Yasar Kemal und Oya Baydar unterstützt. In Deutschland haben mittlerweile Günter Grass, Christa Wolf, Heiner Geißler und Bundestagspräsident Norbert Lammert eine Solidaritätsadresse unterschrieben. Sicher ist: Das Schicksal der 38-jährigen Frau wird weiter aufmerksam beobachtet. 

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