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POSITIONEN: Popanz Bushido

Frauen- und schwulenfeindliche Texte haben einen festen Platz im Repertoire deutscher Hip-Hop-Stars. Warum Verbote von Gangsta-Rappern nichts nützen.

"Bei Frauenverachtung, Aufrufen zu Gewalt und Hetze gegen Minderheiten hört der Spaß auf“, ist das Argument derjenigen, die Texte so mancher deutscher Rapper verbieten wollen. Schauen wir uns aber doch mal unsere CD-Regale an: "Ich erschoss einen Mann in Reno, nur um ihn beim Sterben zu beobachten", singt Johnny Cash 1956. Serge Gainsbourg beschreibt in den sechziger Jahren die Freuden des Analverkehrs für den Mann mit einer Direktheit, die wir von einem Bushido nicht kennen. Ozzy Osborne beißt in den Siebzigern auf der Bühne Tauben den Kopf ab. Das ist noch mehr als einen Text singen – das ist die Tat.

Frauen- und schwulenfeindliche Texte finden sich auf vielen Tonträgern, bisher allerdings häufiger in englischer oder französischer Sprache. In Deutschland wollte aber 1999 niemand Eminem verbieten. Hatte seinen Song "Kim" niemand gehört, in dem er betrunken seiner Frau im Streit die Kehle durchschneidet? Ist es weniger schlimm, wenn der Text auf Englisch vorgetragen wird?

Wenn wir unsere CD-Regale aufgeräumt haben, kommen dann die Filme dran? Danach die Bücher? Michelangelo Antonionis "Zabriskie Point" ist natürlich auch ein Aufruf zur Gewalt, Charles Bukowskis Lebenswerk frauenfeindlich, die vierte Staffel der Fernsehserie "24" kann als Hetze gegen die Minderheit der Muslime in den USA verstanden werden. Wollen wir das alles verbieten? Wo ist die Grenze zwischen der Freiheit der Kunst und Hetze? Verbieten wir auch die dänische Zeitung "Jyllands Posten", die die Mohammedkarikaturen veröffentlicht hat? Sind die Grenzen individuell oder werden sie gesetzlich festgelegt? Entscheiden dann Richter darüber, ob die Country-Band Dixie Chicks mit ihrer Missbilligung der Politik George W. Bushs nun Verfassungsorgane verunglimpft hat oder doch einfach künstlerische Texte auf der Bühne vorgetragen hat?

Um Missverständnissen vorzubeugen: Lieder wie Sidos leider viel zitierter "Arschfick-Song" sind einfach widerlich. Sie sind erst ab 18 freizugeben, was einem Verbot zumindest für Minderjährige gleichkommt. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien stuft allerdings jetzt schon viele Alben so ein, dass sie nur für Volljährige zugänglich sein sollen.

Der Reiz des Verbotenen

Was also bewirkt ein Verbot überhaupt? Dem Reiz des Verbotenen haben junge Generationen noch nie widerstehen können. Ist Sido erst einmal Thema im Bundestag, hat er es geschafft. Alle kennen ihn, das "Establishment" jagt ihn. Das erhöht seinen Wert als notorischen Tabubrecher. Ihm begegnen kann die Politik am besten dadurch, dass sie seine peinlichen Texte als das versteht, was sie sind: Geldmacher-Zeilen in der Hoffnung auf öffentlichkeitswirksame Skandale.

Deren Auswirkung auf die Gewalt an Schulen sollte man übrigens nicht überschätzen. Bushido die Schuld für die gesellschaftliche Homophobie zu geben, ist genauso absurd wie der Prozess gegen die Metall-Band Judas Priest wegen Satanismus eines Fans oder die Beschuldigung des Sängers Marilyn Manson, der "geistige Vater" des Amoklaufs an der Schule in Springfield zu sein.

Sido und Co. sind so lange im Geschäft, wie sie "in" sind. Dies zu beenden kann die jeweilige Subkultur selbst – sonst niemand. In diesem Fall die Hip-Hop-Community. Eminem nimmt im Film "8 Miles" einen schwulen Kollegen in Schutz. Das bewirkt mehr gegen seine früheren homophoben Texte als alle Proteste. Die Antwort auf die gewaltglorifizierenden Texte von "NWA" Ende der achtziger Jahre war die "Stop-the-Violent-Movement" anderer bekannter Rapper. Die Selbstreinigungskräfte von Subkulturen dürfen nicht unterschätzt, sondern müssen unterstützt werden. Das werden sie aber nicht durch Verbotsdebatten, die nur den "Ruhm" der Sidos dieser Welt vergrößern. Umso besser, dass die Zeitschrift "Bravo" auf ihrem Antigewaltkonzert eben denselben Bushido auftreten lässt, der in seinen Texten Gewalt verherrlicht. So entfremdet er seine Reime vom Anspruch des "Realness" und macht sie zu dem, was sie sind: Liedtexte.

Der Autor ist Mitglied der Grünen-Fraktion im Bundestag und Sprecher der Grünen Bundesarbeitsgemeinschaft MigrantInnen und Flüchtlinge.

Omid Nouripour

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