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Ein Polizist stellt am Mittwoch in Berlin-Staaken an der ICE-Strecke Berlin - Hamburg Teile eines Brandsatzes sicher. An der Strecke wurde am Vormittag ein Brandsatz entdeckt, der bereits gezündet war. Wann der Behälter brannte, war zunächst unklar, sagte ein Polizeisprecher.

© dapd

Kontrapunkt: Brandsätze: In der Logik des Terrors

Die Aktionen der Berliner Bombenbastler tragen alle Züge von Terror, sagt Gerd Nowakowski. Sie zielen auf die Bahn, aber sie treffen auch ganz andere legitime Ziele des gewaltlosen Widerstands.

Es ist es müßig, zu fragen, wo Terrorismus anfängt. Eines ist sicher: Der Schrecken ist nicht zu Ende. Am dritten Tag in Folge wird der Bahnverkehr in Berlin massiv beeinträchtigt. Neue Brandsätze am Ostbahnhof und in Staaken machen die Stadt weiter zur Geisel einer bislang unbekannten Gruppe. Es kann nicht beruhigen, dass die Mehrzahl der Sprengsätze nicht funktionierte. Zehntausende von Bahnkunden und S-Bahn-Nutzern sind die Leidtragenden jener Gruppe, die sich in ihrem Bekennerschreiben rühmt, die „Metropole in einem bescheidenen Umfang in den Pausenmodus umgeschaltet“ zu haben. Die Menschen, die nicht mit dem Zug nach Hamburg fahren konnten in den vergangenen Tagen, werden sich jedenfalls als Ziel einer willkürlichen Gewalt erleben, als Opfer einer größenwahnsinnigen Anmaßung einer Gruppe, die sich mit dem Namen eines grollenden Vulkans in Island schmückt und den Aufstand gegen den Kapitalismus herbei fabuliert.

„Nimm es nicht persönlich“, sagen die Bombenbastler jenen, die von ihren Aktionen getroffen wurden: „Du hast recht – das ist anmaßend. Aber wie viel anmaßender wäre es, nicht gehandelt zu haben?“ Es ist die Logik einer Erziehungsdiktatur, mit der hier argumentiert wird: Wir wissen, was gut ist. Es erinnert fatal an jene verbohrten kommunistischen Gruppierungen der 70er Jahre, wo widersprechende Genossen sich anhören mussten, „dich schicken wir nach der Revolution zum Arbeiten in die Fischmehlfabrik“. Wer totalitär denkt, wird totalitär handeln. Die Erinnerung daran, wie die radikale Linke in den 70er Jahren aus einer Elitenlogik der Volksbeglücker in den mörderischen Terrorismus der RAF abrutschte, hält offenbar keine Lehren mehr bereit für das "Hekla Empfangskomitee – Initiative für mehr gesellschaftliche Eruptionen".

Wer politische Ziele durch die systematische Verbreitung von Angst und Schrecken durchsetzen möchte, so die Definition, verübt Terror. Die Kampagne, und darum handelt es sich angesichts der Vielzahl von Sprengsätzen, die deshalb auch eine neue Qualität ist gegenüber normaler Auto-Zündelei, trägt deshalb alle Züge von Terror. Zumal es lediglich glücklichen Umständen zu verdanken ist, dass es bislang bei Sachschäden geblieben ist. Wer einen Brand im Bahntunnel in Kauf nimmt oder giftigen Rauch im Hauptbahnhof, der kann sich nicht selbstherrlich bescheinigen, er habe die Gefährdung von Menschen „bestmöglich ausgeschlossen“. Beruhigen mit solchen Worten können sich nur die Bastler der Sprengkörper selbst. Nur in jener Logik des Terrors sind solche Anschläge geeignet, dass eine zum Opfer gemachte Bevölkerung die gewünscht Sympathie und Unterstützung entwickelt.

Wenig spricht dafür, dass eine solche Kritik das „Hekla-Empfangskomitee“ erreichen könnte. Nur im kommunikationslosen Raum können sich Hirngespinste zu Sprengkörpern verdichten. Jene, die hier mit logistischem Aufwand und langer Vorbereitung ihre Offensive gestartet haben, haben sich offenbar längst verabschiedet vom linken Diskurs. Selbst die heftige Ablehnung ihrer Aktion, die sich in den radikallinken Internetforen findet, wird sie vermutlich nicht beeindrucken. Mit ihren Sprengsätzen diskreditieren sie den legitimen gewaltlosen Widerstand gegen Castor-Transporte, die gerechtfertigte Kritik an einer kapitalistischen Verwertungslogik oder an der Gier der Finanzmärkte. Es ist bezeichnend für den geschwächten Zustand der radikalen Linken, dass sie nicht mit der Kraft der Debatte verhindern konnte, dass Einzelne sich trotz des Traumas des bewaffneten Kampfes der RAF wieder in der Logik der gewaltsamen Aktion verlieren – egal, ob es Brandstiftungen gegen Autos oder die Sprengsätze gegen die Bahn sind. So richtig es ist, weltweite Verelendung, Waffenhandel oder Kinderarmut anzuprangern, wie es die Täter im Bekennerschreiben tun – ihre Taten diskreditieren jedes ihrer Worte.

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