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Liegt der Schlüssel zum Frieden in Nahost wirklich in Damaskus?

© dpa

Kontrapunkt: Damaskus, Moskau und Hannover

Was haben Gerhard Schröder und Frank-Walter Steinmeier mit Syrien zu tun? Auf jeden Fall mehr, meint Malte Lehming, als ihnen lieb sein dürfte.

Es ist einer jener Momente, die es festzuhalten gilt, damit übermorgen keiner sagen kann, er hätte es nicht gewusst. Syriens Militär mordet täglich weiter. Die Zahl der Opfer geht längst schon in die Tausende. Menschen werden gefoltert, verschleppt, hingerichtet. Als internationale Schutzmächte dieses Regimes haben sich am Wochenende Russland und China entblößt. Insbesondere Moskau, der Hauptwaffenlieferant von Baschar al-Assad, hatte am Samstag sein Veto gegen eine Resolution im UN-Sicherheitsrat angekündigt und diese damit verhindert.

Entsprechend einhellig titeln am Montag die deutschen Tageszeitungen: „Weltweite Empörung über Russland und China“ (Die Welt), „Weltweite Wut über Syrien-Veto“ (tageszeitung), „Assad bekommt Lizenz zum Töten“ (Financial Times Deutschland), „Syrien: Welt empört über UN-Blockade“ (Der Tagesspiegel). Doch seltsamerweise fehlt der introspektive Reflex. Was bei jedem anderen Thema sofort einsetzt – Wie viele Deutsche waren auf der „Costa Concordia“? Wie kann Deutschland den Nahost-Konflikt lösen? Welche Lehren soll Deutschland aus dem Erdbeben in Japan ziehen? -, setzt in diesem Fall aus. Zu Syrien und Russland erklärt Deutschland sich für unzuständig.

Das beunruhigt schon deshalb, weil es zwei Namen gibt, die aufs Engste mit beiden Ländern verknüpft sind, Frank-Walter Steinmeier und Gerhard Schröder. Wenn man fragt, was neben seinem Irakkriegsnein das außenpolitische Kennzeichen Schröders war, dann lautet die Antwort: seine innigen Bande zu Wladimir Putin (lupenreiner Demokrat) und Russland. Wenn man fragt, was das Kennzeichen der Diplomatie von Außenminister Steinmeier war, lautet die Antwort: Sein Hofieren von Assad, sein Glaube, dass in Damaskus der Schlüssel zum Frieden in Nahost liegt.

Doch wenn man fragt, ob beide Herren heute, im Scheinwerferlicht der aktuellen Brutalitäten, ihre Herzensbindungen nicht neu justieren wollen, findet man bei Schröder kein einziges Wort, während sich Steinmeier auf der Münchner Sicherheitskonferenz lediglich mit einer Zustandsbeschreibung zitieren ließ: „Die Lage in Syrien ist dramatisch, Menschen sterben, das Regime schießt auf Opposition und Demonstranten.“ Von Kritik, gar kritischer Selbstüberprüfung, keine Spur. Die Arabische Liga, sagte Steinmeier wohlfeil, möge in ihrem Druck nicht nachlassen.

Wäre es wirklich zu viel verlangt, wenn Schröder, der wegen seiner „positiven Haltung gegenüber der arabischen Welt“ vor fünf Jahren die Ehrendoktorwürde der Universität von Damaskus bekam und der vor fünf Monaten mit seinem Freund Putin die Ostsee-Pipeline Nord Stream eröffnete, wenn also dieser Schröder, der inzwischen Vorsitzender im Aufsichtsgremium von Nord Stream ist (Mehrheitseigner ist der russische Gaskonzern Gazprom) einmal zu Protokoll gibt, dass sich der lupenreine Demokrat in einen lupenreinen Autokraten verwandelt hat (wenn er es nicht schon immer war)?

Wäre es zu viel verlangt, wenn dieser Schröder, in dessen Amtszeit als Bundeskanzler der Atomausstieg fiel, der wiederum die deutsche Abhängigkeit von Energie-Importen aus Russland drastisch vergrößerte (und je mehr Gas die Deutschen von den Russen kaufen, desto stärker darf Putin sich fühlen, bilden doch die Einnahmen aus den Energieexporten das Fundament der russische Wirtschaft), wenn also dieser Schröder einmal deutlich zu verstehen gäbe, dass Moskaus Veto zur Syrien-Resolution ein Verrat an den Idealen der Internationalen Gemeinschaft bedeutet?

Und wäre es zu viel verlangt, wenn SPD-Fraktionschef Steinmeier sich nachträglich zu seinem Fehler als deutscher Außenminister bekennt, Assad mit Vertrauensvorschüssen geradezu überschüttet zu haben? Welcher Teufel ritt ihn damals – trotz der Anlehnung Syriens an den Iran, trotz der syrischen Unterstützung von Hamas und Hisbollah, trotz der Einmischung Syriens in die inneren Angelegenheiten des Libanon -, ausgerechnet dieses Land gesellschaftsfähig machen zu wollen? Und welcher Teufel reitet ihn bis heute, die faktischen und diplomatischen Grausamkeiten Syriens und Russlands nicht klar und deutlich zu verurteilen?

In der Tat: Assad darf sich weiter sicher fühlen, so lange Russland und China zu ihm halten. Und so lange sich die deutschen Freunde von Syrien und Russland bedeckt halten.

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