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Reden wir doch mal übers Elterngeld, Männer!

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Kontrapunkt: Liberalismus schützt vor Dogmen nicht

Das Elterngeld will die FDP abschaffen, die Frauenquote hat ihr Parteitag abgeschmettert. Beiden Entscheidungen fehlt der gesunde Menschenverstand, den Rösler versprochen hat, und der Pragmatismus, der Überzeugungen vor Erstarrung schützt.

Es ist die reine Wahrheit, dass vier Milliarden Euro viel Geld sind und die Geburtenrate trotzdem in den vier Jahren seit Einführung des Elterngeldes nicht signifikant gestiegen ist. Und wahr ist auch, dass die Frauenquote als Lenkungsinstrument eingreift, wo es eigentlich darum gehen muss, dass Frauen wegen ihrer Leistungen aufsteigen.

Es ist trotzdem nur ein Beharren auf der reinen Lehre, wenn die FDP das Elterngeld zur Disposition stellt und die Frauenquote mit einer 80-Prozent Mehrheit der Delegierten weiterhin ablehnt. Darunter sicher auch weiblichen, die allerdings auf diesem Parteitag nur 20 Prozent der Delegierten gestellt haben. Mit einem Frauenanteil von 23 Prozent ist die FDP Schlusslicht der im Bundestag vertretenen Parteien – die sich, mit Ausnahme der FDP, über kurz oder lang alle zu irgendeiner Form der Quotierung durchgerungen haben. Mit Erfolg.

Immerhin fanden sich beim Rostocker Parteitag einige Delegierte, die mit erfrischendem Pragmatismus behauptet haben, dass die Quote zweifellos kein liberales Vorzeigeinstrument, aber doch vielleicht einen Versuch wert sei. Denn sie habe ja zweifellos positive Wirkung gezeigt.

Der kühne Vorstoß von FDP-Generalsekretär Christian Lindner zur Abschaffung des Elterngeldes wurde dort nicht debattiert. Aber es gehört wenig Phantasie dazu, dass manche potenzielle FDP-Wählerin (und ihr Freund oder Mann) sich an den Kopf gefasst haben dürfte. Denn gerade den gut ausgebildeten, leistungsorientierten jungen Frauen ist das Elterngeld ja eine echte Hilfe, unter den Optionen, die das Leben bietet, die Mutterschaft viel leichter in Erwägung zu ziehen. Diese Frauen entgehen durch die Lohnersatzleistung Elterngeld einer alten Unfreiheit, nämlich der finanziellen Abhängigkeit von den Vätern ihrer Kinder.

Und diese konkrete Emanzipation, (sprich: Befreiung) müsste eine liberale Partei doch mindestens genauso interessieren wie das abstrakte Argument der Geburtenrate. Elterngeld und Frauenquote könnten sogar interessante Exerzierfelder für die liberale Abneigung gegen allzu viel Gleichheitsgerede sein. Die Quote behandelt Ungleiches, Männer und Frauen, ungleich. Das Elterngeld ist ein Versuch, den Stachel der unfreiwillig-ungleichen Lastenverteilung zwischen den Geschlechtern zu mildern.

Auch die FDP weiß, dass die Wirkung einzelner Instrumente wie Eltern- oder Kindergeld auf die Geburtenrate sich nur sehr langfristig messen lassen. Von den Befürwortern des Elterngeldes hat jedenfalls niemand geglaubt, dass sich ein geburtensteigender Effekt unmittelbar einstellt. Der FDP-Vorstoß gegen das Elterngeld folgt nicht dem Leben, sondern formalen Abgrenzungswünschen.

Ja, das Elterngeld ist ein Instrument staatlicher Regulation, aber als Demonstrationsobjekt grundsatztreuer liberaler Skepsis gegenüber dem Staat eignet es sich vor allem, weil die FDP nicht in der Regierung saß, als es beschlossen wurde. Was sich schon daran zeigt, dass man sonst nicht so zimperlich ist mit staatlicher Intervention. Von der Hotelmehrwertsteuer muss man da gar nicht reden. Die vier Milliarden für die 20-Euro-Kindergelderhöhung der schwarz-gelben Koalition wären in der Bildungsinfrastruktur sicher besser angelegt.

Für Lindners Behauptung, das Elterngeld könnte zur besseren Vereinbarung von Beruf und Familie anderswo effektiver angelegt werden, fehlt hingegen jeder Hinweis. Es ermöglicht die Wahl, die selbst die größten Staatsskeptiker gern hätten, wenn sie Vater oder Mutter werden: Viel Zeit für die ersten Lebensmonate ihrer Kinder.

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