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Die Wimpelträger der Linken stehen unter scharfer Beobachtung des Verfassungsschutzes.

© dpa

Kontrapunkt: Überwachung: Die hohe Kunst der politischen Verblödung

Ja, es gibt bei den Linken Spinner oder Antisemiten. Aber wo gibt's die nicht? Die Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz ist eine sinnentleerte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Jetzt soll mit Recht alles geprüft werden.

Als „künstlich erzeugte Aufregung“ bezeichnet Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die Debatte, die sich an der Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz entzündet hat. Da hat er recht: Hier ist die hohe Kunst der politischen Verblödung zu bestaunen. Das fängt an beim Verfassungsschutz selbst. Selbst wenn es rechtlich in Ordnung ist, wie Bundestagspräsident Norbert Lammert meint, dass ein Drittel der Fraktionsmitglieder der Linken unter verschärfter Beobachtung steht, so bleibt das doch eine komplett sinnentleerte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Sieben Mitarbeiter des Bundesamtes müssen öffentlich bekannte Reden und Aufsätze von 27 Abgeordneten auswerten, in der vagen Erwartung, dort Umstürzlerisches zu entdecken – ein grausamer Job. Sie sollten auf Schmerzensgeld klagen angesichts der drögen politischen Rhetorik: der Anfrage von Dagmar Enkelmann an den Bürgermeister von Bernau zu unerhörten Anmaßungen des Wasser- und Abwasserverbandes Panke/Finow oder dem Manuskript von Halina Wawzyniak zum Vorlesetag in der Friedrichshainer Kita „Pipilota“.

Wenn die Beobachtung der Linkspartei in diesem Ausmaß gerechtfertigt wäre, hätte es längst einen Parteiverbotsantrag geben müssen. Tatsächlich aber hat die Linkspartei, wo sie mitregieren durfte, wie in Berlin, sozialdemokratisch-pragmatisch am Sozialstaat gewerkelt, stets die Stabilisierung der Verhältnisse im Blick. Dass dennoch einige fordern, ein Verbotsverfahren zu prüfen (dem Generalsekretär der CSU zum Beispiel ist das ein Wunsch) weist darauf hin, dass die Massenauswertung harmloser Positionspapiere durch Verfassungsschützer parteipolitisch motiviert ist.

Ein Blick auf die Liste der Beobachteten zeigt schnell, wie absurd das alles ist. Wer bei Leuten wie der Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau revolutionäre Gelüste vermutet, der muss seinen Schlapphut ganz tief über Augen und Ohren gezogen haben. Gewiss gibt es auch in der Fraktion der Linken den einen oder anderen Spinner oder Antisemiten, aber wo gibt’s den nicht?

Andererseits ist es schon auch drollig, wie sehr sich die Geheimdienstexperten der früheren SED jetzt echauffieren. „Eine ganz große Meise“ bescheinigt Gregor Gysi dem Verfassungsschutz. Dass Gysi sich auskennt mit dem Thema Bespitzelung – denn auch darum geht es, es wurden offenbar geheimdienstliche Methoden angewandt – ist ja nicht zu bestreiten. Jahrelang hat der heutige Fraktionschef in Stasi-Akten gewühlt, um zu beweisen, dass er kein Zuträger war, nicht geheim und nicht inoffiziell. Etlichen anderen in seiner Partei ist das nicht so gut gelungen. Ein bisschen mehr Demut wäre da schon angemessen.

Das gilt ebenso für den Verfassungsschutz. Man darf schon noch einmal daran erinnern: Das ist der Verein, der das Bestehen der NPD sichert, indem er mittelbar über V-Leute die Partei mitfinanziert und auf diese Weise auch erfolgreich das erste Verbotsverfahren torpediert hat. Und der über zehn Jahre nicht in Lage war, eine in der Szene mehr oder weniger offen agierende Neonaziterrorbande zu finden. Das klingt auch ein bisschen verfassungsfeindlich.

Ob die Verfassungsschützer sich deshalb lieber mal selbst beobachten sollten oder der ganze Laden gleich ganz aufgelöst gehört, wie Oskar Lafontaine fordert, das wird die Debatte sicher mit bestimmen. Der Innenminister wollte sich nicht einmal festlegen, ob nach der von ihm verordneten Prüfung die Zahl der Beobachteten niedriger oder sogar höher sein wird. Letzteres wäre eine gerechte Strafe für all die Blödheiten, die sich der Verfassungsschutz geleistet hat: Die Überwachung wird auf alle 76 Abgeordneten der Linken ausgeweitet, einschließlich aller Mitarbeiter, Assistenten, Praktikanten, Fahrer und Pförtner, und von denen wird dann alles gelesen. Da könnte das Amt am Ende vielleicht sogar noch was lernen.

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