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Der Teufel

© dpa

Kontrapunkt: Zum Teufel

Darf man am Tag des Heiligen Nikolaus einen besinnlichen Text schreiben? Einen, der niemanden provoziert, weil es sich mit dem Selbstverständnis nicht vereinbaren ließe, das einmal so stehen zu lassen oder einfach nur darüber nachzudenken? Darf man’s wagen?

Ach, man sollte mal. Tempus fugit, die Zeit rennt nicht nur, sie flieht. Schon wieder ist ein Jahr – nahezu – verflogen, eines, das, wenn überhaupt, als das der Entgrenzung in Erinnerung bleiben wird. Immer höher, schneller, weiter – es geht immer noch was, merken wir, obwohl es doch von Jahr zu Jahr so ist. Krisen schwirren vorüber, eine größer als die andere, Zahlen verwirren, mit denen sich noch vor einem Jahrzehnt keiner befassen müsste. Diese vielen Nullen!

Aber es scheint alles eine Sache der Gewöhnung zu sein, der Gewohnheit zu werden. Millionen, Milliarden, Billionen in Euro oder Dollar, gleichviel, das Casino hat immer geöffnet. Die Einsätze werden gigantisch, sie kosten – das Leben. Unsere Umwelt, ob nah oder fern, ist, wie man so sagt, in Mitleidenschaft gezogen. Wir leiden? Vielleicht noch nicht genug; denn das Tun zeigt das Wollen. Wollten wir die Erde retten, und um nicht weniger geht es, täten wir es. Ja, ja, nach uns die Sintflut, buchstäblich. Bis dahin kann Roland Emmerich darüber noch einen Blockbuster drehen.

Ach, man sollte mal. Tempus edax rerum. Die Zeit nagt an den Dingen. Man sollte mal über die Zeit, die da ist, die uns bleibt, Buch führen. Jeder für sich könnte ein Buch des Lebens schreiben. „Wovor ich wirklich Angst habe, ist die Zeit. Die ist der Teufel: Sie peitscht uns vorwärts, wenn wir uns viel lieber räkeln würden, und dabei rennt uns die Gegenwart davon, wird unangreifbar, und plötzlich ist alles Vergangenheit, die nicht stillstehen will, die in all die unauthentischen Geschichten hinübergleitet.“ Gelesen in „Die Unperfekten“, einem Roman von Tom Rachman über eine – Zeitung. Für den Pieke Biermann als Übersetzerin einen Tag beim Tagesspiegel recheriert hat.

Der Tag, dieser Tag, ist auch wieder so einer, der gleich schon wieder vergangen ist, ein Artikel, den Sie morgen vergessen haben werden, weil sich Tage in die Vergangenheit auflösen und in ihr verschwinden. Das Tröstliche aber darf aber auch nicht fehlen: Wir sind jeden Tag wie neugeboren, steigen niemals als derselbe Mensch in denselben Fluss. Und wenn wir uns so fühlen, uns fühlen, dann verstehen wir, was passiert, mit uns und mit den Dingen. Rerum cognoscere causas…

Der Nikolaus ist übrigens Patron der Bankiers. Die kommenden Tage bis zum Jahreswechsel könnten auch sie sich nehmen, um über Nullen und anderes nachzudenken. Es kommt die Zeit, da sich das lohnen wird. Für uns alle.

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