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Kopfpauschale: Reif für den Augenarzt

Der Gesundheitsminister hat eine Vision. Doch die ist politisch längst tot.

Man mag zur Kopfpauschale stehen, wie man will. Zumindest die Begründung des Gesundheitsministers hatte was. Der Ausgleich zwischen Arm und Reich, verkündete Philipp Rösler, gehöre nicht ins Gesundheits-, sondern ins Steuersystem. Weil es nur in Letzterem gerecht zugehe; weil dort alle Einkünfte zählten, nicht nur der Lohn aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung; weil die Steuer nicht gedeckelt ist wie Kassenbeiträge; und weil sich Steuerpflichtige nicht ihrer Solidaritätsverpflichtung entledigen könnten wie die 8,8 Millionen privat Krankenversicherten.

Also: Gleiche Beiträge für alle, dazu ein Sozialausgleich aus dem Steuertopf. Eins ohne das andere werde es nicht geben, sagte der FDP-Politiker, und stilisierte seine Idee zur Gerechtigkeitsoffensive.

Nun geht es an die Umsetzung, und von der schönen Vision bleibt nur die unschöne Hülle. Pauschalbeiträge sollen es immer noch sein, schließlich hat Rösler mit diesem Versprechen seine politische Existenz verknüpft. Und die FDP hat sich ja schon mit ihrem Rückzieher bei den versprochenen Steuersenkungen blamiert. Doch vom Ausgleich aus Steuern ist nicht mehr die Rede. Der Überlastung von Geringverdienern könne, wenn sich Finanzminister und Bundesrat querstellen, ja auch im Kassensystem begegnet werden, findet der Minister nun. Die Mitglieder sollen die Ungerechtigkeiten der Pauschale untereinander ausgleichen. Willkommen in der Realität.

Und die sieht so aus: Damit ein Minister nicht sein Gesicht und eine Partei nicht vollends ihre Glaubwürdigkeit verliert, nimmt man auch die Pervertierung der Idee in Kauf. Aus der großen Systemumstellung wird eine Miniprämie mit riesigem Bürokratieaufwand. Um sie zu finanzieren, werden nicht die Reichen zur Kasse gebeten, die sich zu Privatanbietern davongemacht haben, sondern die verbliebenen gesetzlich Versicherten aus der Mittelschicht. Facharbeiter, höhere Angestellte. Sie hätten ihre Pauschale zu zahlen und den Ausgleich für Geringverdiener obendrein.

Eine wunderbare Lösung für diejenigen, die man nach allseitigem Politikerbekenntnis vordringlich entlasten müsste. Und selbst das Versprechen, die Lohnzusatzkosten zu senken, würde mit höheren Beiträgen ad absurdum geführt.

Das alles wäre keine Reform, sondern ein Schildbürgerstreich. Und wahrscheinlich brächte er nicht einmal genügend ein, weil sich stärker Belastete dann noch öfter privat absichern würden. An das Verbauen dieser Fluchtmöglichkeit wagt sich aber keine bürgerliche Regierung heran.

Dass ein gerechter Ausgleich zu Pauschalbeiträgen nicht hinzubekommen ist, haben Kritiker dem Minister von Anfang an prophezeit. Ohne diesen Ausgleich aber ist die ganze Idee hinfällig. Spätestens seit der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist das Projekt Kopfpauschale tot. Rösler sollte endlich die Reißleine ziehen und sich voll und ganz den Problemen im bestehenden System widmen. Ein Minister, der von undurchsetzbaren Visionen nicht lassen kann, ist eine Fehlbesetzung.

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