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Krankenkassen: Sozialer Beitrag

Warum die Kopfpauschale zunächst einmal abschreckend wirkt, aber trotzdem für mehr Gerechtigkeit sorgt.

Wenn es um Gerechtigkeit geht, kennen die Deutschen keinen Spaß. Sogar zwei Drittel der Anhänger von Union und FDP lehnen eine Kopfpauschale im Gesundheitswesen ab – und sie wähnen sich auf der richtigen Seite. Immerhin klingt Kopfpauschale ja ein bisschen wie Kopfgeld. Auch zur Kopfsteuer, die Margaret Thatcher Ende der 80er Jahre in Großbritannien einführte, scheint es nicht weit.

Es nutzt nichts, dass Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag lieber von „einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen“ sprechen. In der Regierung geht die Angst um, dass die Kopfpauschale zu „unserem Hartz IV“ werden könnte. Auch deshalb soll die Pauschale nicht Experten überlassen werden. Das halbe Bundeskabinett wird ab dem heutigen Mittwoch zu diesem Zweck versammelt. Bis zum Sommer soll die Runde Ergebnisse vorlegen. Vermutlich wird es, wenn überhaupt, vorerst nur eine „kleine Kopfpauschale“ im niedrigen zweistelligen Eurobereich geben.

Dabei ist es kein Geheimnis, dass Deutschland eines der weltweit ungerechtesten Systeme zur Finanzierung der Gesundheitskosten betreibt. Nur hier kann es vorkommen, dass eine verheiratete Sekretärin indirekt die Krankenversicherung für die nicht arbeitende Frau und die Kinder ihres gut bezahlten Chefs alimentiert. Oder dass ein Angestellter mit Durchschnittslohn denselben Beitrag bezahlt wie ein erfolgreicher Bankmanager, der zusätzlich über fünfstellige Kapitaleinkünfte verfügt.

Das auf Bismarck zurückgehende System der beitragsfinanzierten Krankenversicherung verteilt Wohlstand um – wobei die Umverteilung nicht von oben nach unten erfolgt, sondern in erster Linie von der Mitte nach unten, und teilweise sogar nach oben: Einkommen über 45 000 Euro im Jahr bleiben grundsätzlich beitragsfrei, es gibt keinen Freibetrag für Kleinverdiener, Kapitaleinkünfte spielen keine Rolle, und die Familienversicherung wird ohne jede Einkommensprüfung gewährt. Für Gutverdiener mit Kindern zum Beispiel ist die gesetzliche Solidaritätskasse oft attraktiver als eine private Krankenversicherung.

Gerecht ist das nicht. Besser wäre es, nach dem Äquivalenzprinzip zu verfahren – und von jedem Versicherten einen Einheitsbeitrag zu verlangen. Dem steht auf der anderen Seite eine einheitliche Leistung gegenüber: Die Blinddarmoperation der Sekretärin kostet nicht weniger als die des Bankmanagers. Das unterscheidet die Krankenversicherung von der Arbeitslosen- oder Rentenversicherung, wo gestaffelte Beiträge mit Leistungen korrespondieren, die ans Einkommen gekoppelt sind.

Doch auch unter Union und FDP soll das Solidarprinzip ja nicht abgeschafft werden. Der Sozialausgleich könnte dorthin verlagert werden, wo er jetzt schon viel präziser funktioniert und wo der Staat schlagkräftiger ist: ins Steuersystem. Dann könnten zum Beispiel auch Zins- und Mieteinkünfte berücksichtigt werden. Außerdem würden nicht nur Arbeiter und Angestellte, sondern auch privat Versicherte wie Beamte, Selbstständige und Gutverdiener herangezogen, um die Gesundheitsversorgung von sozial Schwachen und Kindern zu subventionieren. Was daran ungerecht sein soll, bleibt das Geheimnis von SPD, Grünen, Linken und CSU.

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