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Dass Europa in der Krise ist, ist nichts Neues. Aber auch in anderen Regionen der Welt läuft es schlecht.

© dpa

Kritik am IWF-Urteil: Nicht nur Europa ist im Krisenmodus

In seiner neuesten Analyse lässt der Internationale Währungsfonds kein gutes Haar an Europa. Und es stimmt, dem Kontinent geht es finanziell schlecht – aber China und den USA geht es in Wahrheit auch nicht viel besser.

Minuszeichen, wohin man blickt: In Spanien und Italien schrumpft die Wirtschaft ohne Pause, in Griechenland und Portugal sowieso, und selbst das lange als solide geltende Frankreich kommt in diesem Jahr um eine Rezession wohl kaum herum. Europa, der Bremser der Weltwirtschaft, geprägt von Abstieg und Pleiten – eine große Überraschung ist es nicht, dass der Internationale Währungsfonds in seiner neuesten Analyse kein gutes Haar an dem Kontinent lässt. Doch das heißt noch lange nicht, dass dieses Urteil auch gerecht ist.

Dass Europa für längere Zeit nicht das Zugpferd der Weltwirtschaft sein würde – geschenkt. Je länger die Schuldenkrise dauert, desto weniger Länder und Institutionen können die Stabilität der Euro-Zone garantieren. Im Prinzip sind derzeit nur noch zwei Akteure handlungsfähig: Deutschland und die Europäische Zentralbank. Doch immerhin tut Europa, was viele andere Regionen noch vor sich haben: Es macht Schluss mit dem ewigen Schuldenmachen. Sicher, viele Länder tun sich noch schwer mit diesem Prozess, mitunter übertreiben es die Politiker auch mit dem Sparen und schwächen die Konjunktur so über Gebühr. Aber immerhin geschieht etwas. Denn die Reformen ließen sich nicht mehr aufschieben.

Schon deshalb, weil die Europäer nicht in der komfortablen Lage vieler aufstrebender Länder sind. Wachstumsraten wie vielerorts in Asien sind hierzulande unrealistisch, weil die Wirtschaftswunderzeit lange vorbei ist und wir, trotz der tiefen Krise, schon auf einem hohen Wohlstandslevel leben. Zudem stagniert fast überall in Europa die Bevölkerung. Und aus dem Verkauf von Rohstoffen kann, anders als etwa Russland, auch kein Staat einen nennenswerten Wohlstand ziehen.

Der Rest der Welt mag sich wundern über die Katharsis der Europäer und ihr Krisen-Kleinklein. Sicher ist aber, dass auch viele andere Regionen der Weltwirtschaft im Krisen-Modus stecken. Die USA werden ihren Kurs der hemmungslosen Kreditaufnahme nicht mehr lange fahren können. Japan hat gerade ein gewagtes Experiment begonnen und will neben seiner exorbitanten Verschuldung auch noch seine Geldmenge in bislang nie gekannter Weise aufblähen. Und dass das Wirtschaftsmodell Chinas kaum zukunftsfähig ist, haben spätestens die Smogschwaden gezeigt, die vielen Millionen Bürgern in den vergangenen Monaten die Luft zum Atmen genommen haben. Ganz zu schweigen von den Massen schlecht ausgebildeter, unterbezahlter Arbeiter ohne jegliche soziale Absicherung. Alle drei Wirtschaftsblöcke werden früher oder später einen anderen Weg einschlagen müssen, sonst zerstören sie ihre eigene Substanz.

Europa darf seine Probleme angesichts dessen nicht verharmlosen. Es darf sich aber auch nicht kleiner machen lassen, als es ist. Und es muss den Weg, den es 2009 begonnen hat, zu Ende gehen, und zu einem Währungsraum werden, der nicht allein von der Bonität der Deutschen lebt. Dann tauchen, wenn nichts dazwischenkommt, bald auch wieder Pluszeichen in den Prognosen der Wirtschaftsforscher auf.

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