zum Hauptinhalt
Unantastbar und unersetzlich: Angela Merkel für die CDU.

© dpa

Kursschwenk in der CDU: Merkels willenlose Partei

Atomausstieg, Mindestlohn, NPD-Verbot: Bundeskanzlerin Merkel hat ihrer Partei schon mehrere spektakuläre Kehrtwenden zugemutet. Gleiches passiert gerade mit der gleichgeschlechtlichen Ehe. Wie immer ist der Zeitpunkt perfekt gewählt, Merkel selbst dürfte kaum Schaden nehmen. Die CDU hingegen schon.

Der Vorwurf gegen Angela Merkel, dass sie die Positionen, die sie nicht hat, jederzeit räumt, ist alt und berechtigt. Jetzt verändert sie die Haltung der CDU zum Mindestlohn, zur Homo-Ehe und zum NPD-Verbot so, dass sie sich von den übrigen Parteien nicht mehr unterscheidet. Der Zeitpunkt ist wie immer gut gewählt: Kurz vor dem Rücktritt des Papstes, mit dem auch dessen vermeintlich antiquiertes Gesellschaftsbild abtritt, ist zum Beispiel kaum mit Widerstand aus den katholischen Teilen der CDU gegen die Homo-Ehe zu rechnen.

Mit Friedrich Merz verschwand die Ordnungspolitik, mit Roland Koch die Innenpolitik und mit dem Papst verschwindet nun das christliche Familienmodell der CDU. Mit jedem Rücktritt wird der Spielraum von Merkel größer – und die Bandbreite ihrer Partei geringer.

Merkel nimmt der Opposition alle Themen, die ihr gefährlich werden können. Das ist klug zu einem Zeitpunkt, da die Euro-Krise als entscheidender Faktor des Wahlkampfes offenbar an Gewicht zu verlieren beginnt. Warum sollte sie sich also für irgendwelche konservativen Werte stark machen, von denen niemand weiß, worin sie in diesen unübersichtlichen Zeiten noch bestehen? Und wenn alle für ein NPD-Verbot sind, warum sollte dann die CDU dagegen sein?

Merkel hat kein Interesse daran, sich anders zu verhalten, weil sie in einem politischen System agiert, das Konformität belohnt. Wähler und Politiker sind sich längst einig, dass die Verengung des politischen Angebots wünschenswert ist. Politische Eintönigkeit wird immer wieder beklagt, aber Abweichung nicht honoriert. Rechts von der CDU, da sind sich alle einig, drohen Faschismus und Populismus, links von der SPD Umverteilung und Enteignung.

Merkel kann ihre willenlose Partei deshalb leicht in die Mitte verschieben, weil rechts von ihr nichts sein darf. Die Antifa hält Merkel den Rücken frei. Und so steht die Kanzlerin, pragmatisch für die einen oder prinzipienlos für die anderen, bei 41 Prozent und hat beste Chancen, wiedergewählt zu werden. Wer in der Partei wollte da widersprechen?

Möglicherweise macht die CDU mit all diesen Schwenks moderne Politik, undogmatisch und mitten im gesellschaftlichen Konsens. Möglicherweise macht sie zeitgemäße Politik. Dem Beweis entzieht sich die CDU aber zunehmend, indem sie ihre Politik wahltaktisch angleicht. Von Überzeugungen kann ja nicht die Rede sein, wenn sich die Partei noch im Dezember gegen die Gleichstellung der Homo-Ehe ausgesprochen hatte.

Diese Debatte vom Nein zum Ja öffentlich zu führen, Argumente auszutauschen und einen Erkenntnisprozess zu begleiten – genau darin besteht die Aufgabe einer Partei. Vermutlich liefe auch die Energiewende besser, wenn damals in der CDU nicht alle nur genickt, sondern auch kritische Fragen gestellt hätten.

Wenn alle das Gleiche sagen, profitiert davon nur der, der an der Macht ist. Die Kanzlerin. Die CDU wird das merken, wenn Merkel einmal nicht mehr ist: Sie wird personell ausgelaugt und inhaltlich nicht mehr unterscheidbar sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false