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Symbol von Stadt und Bundesland: Die Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin.

© dpa

Länderfusion mit Brandenburg: Berlin muss bescheiden werden

Eine Initiative startet einen neuen Versuch zur Länderfusion zwischen Berlin und Brandenburg. Doch ein solcher Zusammenschluss kann nur gelingen, wenn die Hauptstadt darum bittet. Denn zuerst einmal müssen die Brandenburger das wollen.

Am Sonntag stellte der Tagesspiegel eine neue Initiative der „Stiftung Zukunft Berlin“ vor – heute Abend wird diese bei einer ersten öffentlichen Veranstaltung in Potsdam diskutiert. Die Idee, Berlin solle seinen Länderstatus aufgeben und im Land Brandenburg aufgehen, könnte dort schnell als neuer Trick abgetan werden, um die 60 Milliarden Schulden der Hauptstadt dem Bund aufs Auge zu drücken. Aber so billige Absichten sollte man weder dem Verfasser des Papiers, dem früheren SFB-Chefredakteur Joachim Braun, noch dem Vorsitzenden der Stiftung, Ex-Senator Volker Hassemer, unterstellen. Ihnen geht es eher darum, einen Geburtsfehler des vereinten Deutschland zu heilen und zur Befriedung des innerstaatlichen Miteinanders beizutragen.

West-Berlin war Kostengänger der Bundesrepublik

Der Geburtsfehler war, für das wiedervereinte Berlin im wiedervereinten Deutschland jenen Bundesländerstatus zu zementieren, den West-Berlin de facto bis zur Wiedervereinigung innerhalb der Bundesrepublik hatte. Den Staat Preußen, dessen Hauptstadt Berlin gewesen war und von dessen Reichtum die Stadt bis zum Zweiten Weltkrieg profitiert hatte, gab es seit dem 25. Februar 1947 nicht mehr. An diesem Tag hatte der Alliierte Kontrollrat die Auflösung Preußens verfügt. West-Berlin war bis zum Mauerfall Kostgänger der Bundesrepublik. Ost-Berlin als Hauptstadt der DDR wurde zum Sehnsuchtsort der Menschen zwischen Elbe und Oder, weil es dort vieles gab, woran es sonst überall mangelte. Berlin als Ganzes aber hatte, anders als die Hansestädte Hamburg und Bremen, nie eine Stadtstaatentradition, auf der Politik und Gesellschaft aufbauen konnten.

Alle zwischenstaatlichen Vereinbarungen beider Bundesländer miteinander haben die Schäden nicht beseitigen können, die durch die brandenburgische Ablehnung der Länderfusion beim Volksentscheid 1996 entstanden sind. Das geht von der nicht abgestimmten Schul- und Bildungspolitik über kleinliche Streitigkeiten um S-Bahn-Anbindungen bis hin zu überflüssigen Konkurrenzsituationen bei der Ansiedlung von Unternehmen.

Berlin muss Bitte-Sagen üben

So naheliegend also der Gedanke ist, Berlin möge um den Beitritt zum Land Brandenburg nachsuchen, so schwierig ist die Umsetzung. Zuerst einmal müssen die Brandenburger das wollen. Berlins Politik wird also das Bitte-Sagen einüben müssen. Unabdingbare Voraussetzung ist außerdem die Regelung der Altschulden, die eben nicht nur ein Ergebnis leichtfertiger Haushaltspolitik Berlins nach 1990 sind. Die wird nur konsensual zwischen dem Bund und den Ländern erreichbar sein. Und den Bundesrat braucht man auch, wenn der Bund sich für die Kultur- und Bildungslandschaft in Berlin stärker engagiert als jetzt. Dass Kultur Ländersache ist, gehört zu den konstituierenden Fundamenten föderalen Selbstverständnisses.

Vor allem aber muss die Politik ein Bekenntnis zur Hauptstadt ablegen, das die finanzielle Verantwortung des Gesamtstaates für diese Hauptstadt einschließt. Auch hier also wird Berlin noch einmal Bescheidenheit lernen müssen. Dass wir von einem Prozess sprechen, der über ein Jahrzehnt angelegt ist, versteht sich. Und noch ein Gedanke: Eine große Koalition mag demokratietheoretisch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Aber um ein so schwieriges Thema wie eine neue Sinnerfüllung des Hauptstadtgedankens anzugehen, kann sie von Vorteil sein.

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