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Meinung: Last Exit New York

Krieg ohne UN-Mandat würde Blair zu Neuwahlen zwingen

Für jeden Mann und jede Frau, die Tony Blair zum Aufmarsch gegen Saddam Hussein in den Golf schickte, verlor er einen „Parteisoldaten“: 40 000 Mitglieder sind seit Beginn der Irak-Krise aus der Labour-Partei ausgetreten. Sicher wird Blair als Juniorpartner den Krieg mitgewinnen, aber ebenso sicher wird es ein Pyrrhussieg. Blairs wichtigstes Bindeglied zur Parteibasis, die Entwicklungsministerin Clare Short, wirft ihrem Regierungschef rücksichtslose Missachtung internationaler Rechtsnormen und der UN vor. Sie will zurücktreten, wenn ein Angriffsbefehl kommt, der nicht durch eine UN-Resolution gedeckt ist. Ein parlamentarischer Unterstaatssekretär hat bereits als Erster von Blairs Führungsriege diesen Schritt getan.

Mit dem verzweifelten Optimismus, mit dem die Regierung den Massendemonstrationen und den Mahnungen von Juristen, Militärs und Kirchenführern trotzt, versucht Vizepremier John Prescott die Absetzbewegungen herunterzuspielen. Aber es sind nicht nur einige Pazifisten, die sich gegen Blairs Kurs wehren, sondern auch viele Parlamentarier, die zu Blairs loyalsten Anhängern gehörten. Der einst so unangefochtene Premierminister musste die schlimmste Niederlage hinnehmen, die eine britische Partei ihrem Regierungschef je zufügte. Fast ein Drittel seiner Abgeordneten verweigerte mit dem Tadelsantrag „es gibt keinen Grund für den Krieg" Blair die Gefolgschaft. Wenn er ohne Rückhalt des Sicherheitsrates einen Krieg gegen den Irak wagt, richtet er im Parlament einen Scherbenhaufen an – und wäre zu Neuwahlen gezwungen.

Blairs Partei ist durch den Irak so tief gelähmt und verwundet worden, dass sie kaum den Elan für einen weiteren Erdrutschsieg aufbringen könnte. Zu Blair gibt es in der Partei zwar noch keine Alternative und die Konservativen, die den Krieg auch mittragen, sind durch ihren schwachen Vorsitzenden Ian Duncan Smith und ihren anhaltenden Selbstzerstörungsprozess nicht wählbar. Das könnte zur Chance für die Liberaldemokraten werden, deren kriegsskeptischer Chef Charles Kennedy nun die höchste Popularitätsrate unter britischen Politikern besitzt.

Deshalb braucht Blair eine zweite UN-Resolution. Wenn er sie bekommt wird die öffentliche Meinung radikal zu seinen Gunsten umschlagen. Wenn nicht, muss er – wie Zyniker in seiner Partei sagen – mit Saddam Hussein ins Exil gehen.

Matthias Thibaut

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