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Meinung: Leben – an einem anderen Tag

Schöpferwahn macht unseriöse Wissenschaftler zu Stars

Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Würde Doktor Frankenstein heute leben, wäre er wahrscheinlich ein Medienstar. Statt sich zeitlebens wegen seiner missratenen Kreatur zu grämen, würde er mit den Antinoris, Boisseliers und Venters dieser Welt von Talkshow zu Talkshow tingeln und die Erlösung der Menschheit von Krankheit, Umweltverschmutzung und Unfruchtbarkeit verkünden. Nebenbei könnte er sich als Berater bei JamesBond-Filmen ein Zubrot verdienen, in denen die Bösewichter neuerdings mittels gentechnischer Manipulationen ihre Identität wechseln. Ob die zweite Schöpfung im Labor tatsächlich gelingt, könnte ihm relativ egal sein: Er würde am siebten Tag jedenfalls steinreich sein, frankensteinreich.

Der Ferrari-Fahrer Severino Antinori schockierte die Welt vergangene Woche mit der Ankündigung, sein erstes Schöpfungswerk stehe kurz vor der Vollendung. Im Januar werde das erste geklonte Menschenkind das Licht der Welt erblicken: „Natürlich wird es ein Junge“, protzte der Italiener. So einfach wollte sich jedoch Brigitte Boisselier, Klonmeisterin der Ufo-gläubigen Raëlianer, die Show nicht stehlen lassen. Sie verkündete prompt, ein von ihrer Sekte geklontes Kind werde vorher geboren, vielleicht schon an Weihnachten – und zwar ein Mädchen.

Als die skurrilen Geschlechterkämpfer im April erstmals von den angeblichen Klon-Schwangerschaften berichteten, glaubte das kein seriöser Wissenschaftler. In den besten Laboren der Welt waren menschliche Embryoklone nach spätestens einer Woche abgestorben. Der mit der erforderlichen Technik unerfahrene Antinori hatte schon öfter über angebliche Erfolge beim Klonen von Tieren berichtet, die nie bestätigt werden konnten. Die erneuten beharrlichen Ankündigungen des bevorstehenden Weltereignisses ließen jedoch auch abgebrühte Naturwissenschaftler ein wenig schaudern, als hätten sie sich in Mary Shelleys Gruselgeschichte verirrt. Bleibt zu hoffen, dass den unheimlichen Medienstars das Handwerk gelegt wird. Dazu müssen nationale Gesetze das reproduktive Klonen von Menschen auch im Ausland unter Strafe stellen, solange die entsprechende deutsch-französische Initiative bei den Vereinten Nationen nicht vorankommt.

Doch auch mit neuen Gesetzen wird sich das künstliche Leben seinen Weg bahnen. Ende November verkündete der Genomentschlüsseler Craig Venter sein nächstes Projekt: Die Herstellung einer künstlichen Bakterienzelle. Während beim Klonen nur Kopien von Lebewesen hergestellt werden, geht es jetzt um das ultimative biologische Experiment – die Schaffung von Leben aus unbelebter Materie. Der Großmeister der medialen Inszenierung von Wissenschaft spricht von Super-Mikroben, die eines Tages das Treibhausgas Kohlendioxid wegfressen und Wasserstoff als saubere Energiequelle liefern werden. Ethische Widerstände hat Venter bisher geschickt überwunden: Als Kritiker sein bereits 1998 begonnenes „Frankenzell-Projekt“ anprangerten, legte er es erst einmal ein paar Jahre auf Eis. Ob der biblische Plan zu Lebzeiten seines Schöpfers gelingen wird, darf bezweifelt werden – die technischen Hürden sind noch wesentlich höher als beim reproduktiven Klonen.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Mikrobiologie an der Uni Halle. Foto: J. Peyer

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