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Lebensmittelpreise: Quark um die Milch

Nur ein Euro mehr pro Monat - trotzdem ist die Kritik gewaltig: Warum die Preise für Grundnahrungsmittel zu Recht immer noch ein Aufreger sind.

In vergangenen Zeiten waren Preisanhebungen für Brot und Milch, gelegentlich auch für Tee, der klassische Auslöser für Aufstände und Revolutionen. Die amerikanische Unabhängigkeit nahm ihren Lauf nach der dramatischen Steuererhöhung für Tee, damals Grundnahrungsmittel der eingewanderten Briten. Die Franzosen streikten 1789, als das Brot zu teuer wurde, und stürzten die Monarchie. Ausgangspunkt für die zentraleuropäischen Märzrevolutionen des Jahres 1848 war die katastrophale Missernte des Jahres 1847, die zu einer Hungerkrise geführt hatte.

Seitdem aber haben die Preise für Nahrungsmittel in Europa dramatisch an Relevanz für das politische und für das Alltagsleben verloren. Immer weniger Geld gaben beispielsweise die Deutschen in den vergangenen zwanzig Jahren für ihre Nahrungsmittel aus. Die aktuelle Erhöhung der Butterpreise macht für den Durchschnittshaushalt etwa einen Euro mehr im Monat aus.

Dennoch reagieren die Menschen immer noch sensibel auf die Preisentwicklung für Brot, Milch, Butter. Sensibler, als man so denkt. Nachdem in diesem Jahr zum ersten Mal seit Jahren die Preise für Butter und Milch wieder deutlich steigen, kritisiert selbst die Bundesregierung die Abzocke der Verbraucher scharf.

Nun gibt es – neben den Molkereien, die die Chance sehen, endlich einmal Preiserhöhungen am Markt durchzusetzen – ein paar weltwirtschaftliche Faktoren für die Milchpreishausse. Australien und Neuseeland leiden unter dramatischer Trockenheit und damit unter Futterknappheit. Die beiden Länder, traditionell Exporteure für den asiatischen Raum, können nicht liefern. Gleichzeitig aber steigt in Asien der Verbrauch an Milch. Milch gilt dort als Statussymbol, sie steht für einen westlichen Lebensstil und für Weltgewandtheit. Wie lange sich die Chinesen das leisten wollen, wann sie selbst mit der Milchproduktion anfangen, weiß niemand. Wer heute für die kommenden zehn Jahre Milchknappheit vorhersagt, wird vermutlich genauso falsch liegen wie diejenigen, die vor zwei Jahren andauernde Milchüberschüsse in Europa prognostiziert haben.

Ist das alles Grund, endlich Schluss zu machen mit dem europäischen Agrarsubventionssystem? Eindeutig Ja. Jedenfalls im Augenblick muss Europa sich nicht mit der Frage herumplagen, wie viel Landwirtschaft es braucht. Dafür hätten die Europäer jetzt die Chance, zu entscheiden, welche Landwirtschaft sie wollen – und wie viel Freihandel sie ertragen.

Wollen sie weiterhin freilaufende glückliche Kühe in den Mittelgebirgen sehen, müssen sie entweder weiter subventionieren oder am Kühlregal noch höhere Preise akzeptieren. Wollen die Europäer ernsthaft einen freien Welthandel, ist jetzt die Zeit, die Exportsubventionen für Nahrungsmittel dauerhaft einzustellen. Damit wäre dann auch den Ländern Afrikas geholfen, die trotz der gegenwärtig guten Preise auf dem Weltmarkt immer noch nicht vom Aufschwung der Landwirtschaft profitieren – weil sie von Europa unterboten werden.

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