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Datenkontrolle im Internet: Lehrling Obama, Meister Putin

Gemessen an den Schnüffelwünschen des russischen Geheimdienstes FSB wirken die amerikanischen Kollegen von der NSA wie Waisenknaben. In Russland möchte die Obrigkeit den Bürgern ungeniert über die Schulter schauen, wenn sie am Computer sitzen.

Gemessen an den Schnüffelwünschen des russischen Geheimdienstes FSB wirken die amerikanischen Kollegen von der NSA wie Waisenknaben. In Russland möchte die Obrigkeit den Bürgern ungeniert über die Schulter schauen, wenn sie am Computer sitzen. Den US-Regierungen schien die Aussicht, dass ihr Treiben eines Tages öffentlich werden könnte, wenigstens peinlich zu sein. Sie verpflichteten die Internetdienste, bei denen sie Daten abgriffen, zum Stillschweigen. In Moskau kennt man solches Schamgefühl nicht. Die Untertanen sollen ruhig wissen, dass ihr Staat sie kontrolliert, das wirkt disziplinierend. Also wird der Anspruch auf die privaten Daten öffentlich diskutiert und vom Parlament abgesegnet. Es scheint, als wolle Wladimir Putin alle Mutmaßungen seiner Gegner über sein Weltbild als alter KGB-Mann und seine gelenkte Demokratie bestätigen.

Der Anspruch eines Menschen auf Kontrolle seiner persönlichen Daten, da darf sich niemand Illusionen hingeben, wird nirgends mehr verlässlich geschützt. So wie sich das World Wide Web entwickelt hat, kann ein Bürger seine Kommunikationswege im Internet nicht in dem Sinne steuern, dass er seine Emails nur durch Staaten mit hohem Datenschutz schickt.

Die Reaktionen auf all die Schreckensnachrichten, die seit Beginn der NSA-Affäre ans Licht kamen, lassen jedoch nationale Unterschiede im Umgang mit der Schnüffelei erkennen und zeichnen eine ethnografische Karte der Empfindsamkeit. Besonders empört reagierten die Deutschen. Ob sie nach zwei Diktaturen besonders sensibilisiert sind oder sich da eher der Hang zu moralischer Lehrmeisterei ausdrückt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Briten und Franzosen nahmen Snowdens Enthüllungen gelassener. Sie wissen, dass ihre Dienste nicht mehr Skrupel zeigen als die Amerikaner; man darf sich nur nicht erwischen lassen. Wer darauf hofft, dass sich vielleicht doch noch Schranken ziehen lassen, wird sich an dieser Weltkarte datenrechtlicher Empfindsamkeit orientieren müssen. Bei aller Empörung über die NSA wird Deutschland Bundesgenossen für mehr Schutz wohl nur in anderen westlichen Demokratien finden, die USA eingeschlossen. In Russland (und China) gewiss nicht.

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