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Leichtsinn: Wer will schon Heide Höppner werden?

Frau Yspilanti droht in der ganzen Hessen-Affäre zu einem Hybrid aus Heide Simonis und Reinhard Höppner zu werden. Sie sollte das Risiko kennen.

Ich habe mich schon verwundert gefragt, wo die heldenhaften Kritiker von Kurt Beck in der SPD-Spitze geblieben sind, als dessen Links-schwenkt-Marsch!-Befehl einmütig abgewinkt wurde. Doch selbst in solchen trüben Stunden sollte man erst einmal nach entlastenden Gründen für die Unverständlichen suchen. Und siehe da: Die Ankündigung, nun solle jede Landespartei in eigener Verantwortung über die Zusammenarbeit mit der Linkspartei entscheiden, hat ja durchaus ihre zwei Seiten.

Zum einen genehmigt das Votum den eklatanten Wortbruch („Wer einmal lügt …“), zum anderen aber enthält es zugleich die listige Drohung an Andrea Ypsilanti: Wenn du mit deinen Hessen und deiner Bereitschaft zum konkretisierten Tabubruch auf die Nase fällst, dann fällst nur Du. Dann sehet Ihr zu!

Frau Yspilanti droht in dieser ganzen Affäre zu einem Hybrid aus Heide Simonis und Reinhard Höppner zu werden. Zwar könnte sie für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren – in der Hoffnung, im Erfolgsfalle behaupten zu können, sie wisse ja gar nicht, wer sie in geheimer Wahl gewählt hat. Amtieren aber könnte sie erst, wenn sie mit einem Kabinett eine offene Vertrauensabstimmung im Landtag überstanden hat. Spätestens dann kämen die Karten auf den Tisch – und wäre das Kabinett eine Regierung von Gnaden (auch) der Linkspartei.

Aber bevor es zu dem in einer offenen Abstimmung dokumentierten Wortbruch kommen könnte, müsste in geheimer Wahl die Kür zur Ministerpräsidentin gelingen. Gerade einmal zwei Stimmen Mehrheit hätte das angeblich nicht existierende – und angeblich auch gar nicht gewollte – Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei im hessischen Landtag. Da kann man nur sagen: Heide Simonis lässt grüßen! Keine noch so oft wiederholte offene Probeabstimmung in einer Fraktion kann eine selbst in der eigenen Partei so umstrittene knappe geheime Wahl absichern.

Aber einmal angenommen, dass ein solches schwarzes Szenario weder den Ehrgeiz noch die Risikobereitschaft von Frau Ypsilanti ersticken sollte, und zudem angenommen, die Wahl käme zustande – was dann? Lassen wir einmal die pragmatischen Fragen beiseite und stellen wir nur auf das psychologische Moment ab: Reinhard Höppner hatte direkt am Vorabend der Landtagswahl 1994 öffentlich gesagt, eine Regierung, die entweder von der PDS abhängig sei oder toleriert werden müsste, sei tödlich für das Land. Schon am nächsten Tag hat er diese Behauptung desavouiert – und sich selber gleich mit. Man hat damals eindrucksvolle Rechnungen aufgemacht, was dieses Manöver dem Land Sachsen-Anhalt gekostet hat – an sinnwidrigen Konzessionen an die PDS. Gar nicht in Zahlen auszudrücken war der Glaubwürdigkeitsverlust, den Höppner dabei erlitten und von dem er sich, mangels Eingeständnis, auch nie wieder erholt hat.

Wenn nun Frau Ypsilanti ausgerechnet von Höppner den Rat vernimmt, sich von der Linkspartei tolerieren zu lassen, sollte sie die Zweischneidigkeit dieser Empfehlung mindesten so scharf sehen wie den Rat der SPD-Spitze, von nun an dürfe (und müsse!) jede Landespartei alleine entscheiden, wie sie es mit Gregor Gysi, dem Nachlassverwalter der SED/PDS, und Oskar Lafontaine, dem Nestbeflüchter der SPD, halten wolle.

Und schließlich: Reinhard Höppner war 1994 in der Wahlnacht einem fatalen Rat des SPD-Vorsitzenden Scharping gefolgt – und hatte gerade dadurch dessen Kanzlerkandidatur endgültig ruiniert. Wenn schon nicht an ihre noch taufrischen Wahlversprechen, so sollten doch sowohl Kurt Beck als auch Andrea Ypsilanti sich wenigstens dieses Vorganges erinnern, der freilich etwas länger zurückliegt. Denn wo die Moral schwächelt, könnte ja wenigstens die nackte Angst einen Rest von Aufrichtigkeit retten.

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