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LEICHTS Sinn: Endlich wieder SPD-Opposition … … aber bitte nicht so wie im Fall Kundus

Einen Vorteil hat die Auflösung der weiland großen Koalition schon gezeitigt, im Prinzip jedenfalls: Es gibt wieder so etwas wie eine effektive Opposition. Der Haken dabei: Vorerst gilt das nur für das Prinzip, nicht für die Praxis.

Einen Vorteil hat die Auflösung der weiland großen Koalition schon gezeitigt, im Prinzip jedenfalls: Es gibt wieder so etwas wie eine effektive Opposition. Der Haken dabei: Vorerst gilt das nur für das Prinzip, nicht für die Praxis. Zwar wird inzwischen schärfer gestritten – vor allem um das Bombardement bei Kundus –, aber in Wirklichkeit handelt es sich um eine Auseinandersetzung mit völlig falschen Fronten. Deshalb hier einige Anhaltspunkte zur Erinnerung:

Das berüchtigte Bombardement der zwei Tanklastwagen bei Kundus fand am 4. September statt – drei Wochen und zwei Tage vor der Bundestagswahl, also noch in der Verantwortung der großen Koalition; deren Regierung amtierte danach noch einen ganzen Monat. Erst am 28. Oktober wurde Guttenberg, der neue Verteidigungsminister, vereidigt.

Niemand kann mir vormachen, dass in den Tagen nach dem 4. September nicht auch maßgeblichen SPD-Ministern in der Bundesregierung schwante, was da bei Kundus wirklich passiert war, dass sie also Kritik hätten üben können und dass sie spätestens durch deren Unterlassen politisch in der Mitverantwortung waren. Zumal der damalige Außenminister Steinmeier könnte heute nicht so tun, als sei ihm erst nach dem Regierungswechsel ein Licht aufgegangen. Bedenklicher noch als die Horizontschleichereien um die zivilen Opfer erweist sich die zur Beruhigung der Öffentlichkeit (und zu Selbstbeschwichtigung) verbreitete Legende, das unverzügliche Bombardement sei erforderlich gewesen, um die Benutzung der Tanklastwagen für einen Anschlag zu unterbinden. Schon zu Zeiten der vorigen Regierung wäre das Eingeständnis fällig gewesen: Es wurde gebombt, weil man eine große Zahl von gewichtigen Taliban-Kämpfern mit einem Schlag ausschalten konnte.

Dass die SPD jetzt am liebsten Guttenberg zur Strecke bringen möchte, gehört zum harten, mitunter widerlichen Geschäft oppositioneller Politik: Vom „shooting star“ zum angeschossenen Minister, wer solche abrupten Klimawechsel nicht aushält, wird es nicht weit bringen. Auch hat Guttenberg, der als Wirtschaftsminister kurzzeitig bella figura machen konnte, beim Versuch, als Verteidigungsminister gleich den harten Burschen zu markieren, ein paar Trittfehler gemacht und sich entweder voreilig festgelegt („militärisch angemessen“) oder voreilig korrigiert („nicht angemessen“) – das wird man noch sehen.

Aber wenn selbst der hochgeachtete vormalige Generalinspekteur Schneiderhan in seinem Demissionsschreiben notiert „Andere Zwischenberichte, Berichte und Meldungen wurden Ihnen nicht vorgelegt“, dann war seine Entbindung vom Amt mehr als gerechtfertigt. Der Rest – das sind gewiss wichtige Stil-, aber kaum existenzielle Fragen!

Wer den Dingen auf den Grund gehen will, muss eine andere Perspektive einnehmen: Angenommen, alle Parteien und Politiker wären ehrlich gewesen – dann hätten sie zugeben müssen, dass sich das afghanische Kriegsbild im deutschen Zuständigkeitsbereich längst verändert hatte. Wer es mit Gegnern zu tun hat, die angreifen, wann und wo sie können, der wird nicht nach dem deutschen Polizeiverwaltungsgesetz warten, bis der Störer verwarnt werden muss, sondern er wird den Gegner mit allen völkerrechtlich erlaubten Mitteln so früh ausschalten, wie er kann – sofern es in die politische Strategie passt.

Zivilopfer sind dabei so streng wie möglich zu vermeiden – auch gegenüber Gegnern, die nichts dabei finden, Zivilisten durch Selbstmordattentäter in die Luft zu jagen. Wenn schon die vorige Regierung nicht den Mut hatte, den Dingen ins Auge zu sehen, dann sollte die inzwischen in die Opposition gewechselte SPD nicht so tun, als sei Guttenberg an allem, sie selber aber an nichts schuldig.

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