zum Hauptinhalt

Meinung: Aufrechte Menschen wie Margot Käßmann muss man mit der Lupe suchen

Zum Rücktritt von Margot Käßmannals Bischöfin und EKD-RatsvorsitzendeDanke für Ihre sachliche und faire, wenn auch durchaus kritische Berichterstattung über den Fall Margot Käßmann . Diese Berichte heben sich wohltuend von der Häme ab, die in den Medien genüsslich ausgebreitet wird.

Zum Rücktritt von Margot Käßmann

als Bischöfin und EKD-Ratsvorsitzende

Danke für Ihre sachliche und faire, wenn auch durchaus kritische Berichterstattung über den Fall Margot Käßmann . Diese Berichte heben sich wohltuend von der Häme ab, die in den Medien genüsslich ausgebreitet wird. Einmal mehr bin ich froh, Abonnentin des Tagesspiegels zu sein.

Elke Wittkowsky, Berlin-Friedenau

„Theologin“, „Scheidung“, „Brustkrebs“, „nur 1,60 groß“ und dann auch noch eine Frau. Und als ob das nicht schon genug wäre, da fährt sie auch noch trunken über eine rote Ampel. Weshalb regt sich Deutschland, ein Land, in dem 2007 im Schnitt jeder zehnte Autofahrer trunken am Steuer saß, auf? Richtig, Frau Käßmann ist EKD-Vorsitzende. Da geht so was gar nicht, schließlich ist sie eine „moralische Wegweiserin“, ein moralischer Anker in unserer ach so schrecklich unmoralischen Gesellschaft.

Es ist schon hart, wenn man plötzlich aufwacht und feststellt, dass auch Frau Käßmann nur ein Mensch ist. Fort ist er, der Glaube von dem unfehlbaren Menschen. Wenn er denn je existierte. Wer liest sie nicht, die „schrecklichen“ Klatschblätter, in denen lang und breit die Exzesse der Reichen und Schönen breitgetreten werden. Dass Politiker und sogar von und zu Guttenberg Fehler machen, daran haben wir uns auch gewöhnt. Aber Frau Käßmann ist eine „moralische Instanz“, die letzte Hüterin der Sitten, die darf das nicht. Ist so. Putzig der Versuch, die eigene Weste reinzuwaschen, indem man seine nicht gelebten Moralvorstellungen auf ein Kirchenoberhaupt projiziert.

Die katholische Kirche hat in den letzten Wochen mit der Enthüllung skandalöser Missbrauchsfälle für erschütternde Schlagzeilen gesorgt. Und jetzt regen wir uns über die protestantische Kirche auf, deren Vorsitzende betrunken über eine rote Ampel fährt? Manchmal hilft es auch einfach, sich an die eigene Nase zu fassen. Und schon relativiert sich das Ganze. Und die Moral von der Geschicht? Unfehlbare Bischöfinnen gibt es nicht!

Ina Wege, Berlin-Kladow

Bei aller Wertschätzung für Frau Käßmann, wer solche Eskapaden unternimmt, hat selbstverständlich Verantwortung dafür zu tragen.

Karl-Heinz Keilholz,

Berlin-Lichterfelde

Frau Käßmann hätte nicht zurücktreten müssen. Wie viele wären unter der selbst gelegten Messlatte durchgetaucht. Wie viele unserer beliebig austauschbaren Politclowns wären einer Intrige zum Opfer gefallen, etwa dergestalt, dass man ja unmöglich merken kann, wenn einem der politische Gegner eine Flasche Wein in den Kaffee schüttet. Wenn wir schon Pappnasen als Kerle erdulden müssen, dann sollten wir uns wenigstens freuen dürfen, Frauen mit Charakter in unserer Gesellschaft zu haben. Auch wenn uns allen etwas verloren geht und deshalb nicht eine Schranze weniger herumläuft, der Dame gebührt Respekt.

Ferdinand Thouet, Berlin-Zehlendorf

In aller Trauer um den Rücktritt von Margot Käßmann, bin ich mal wieder erstaunt, wie aus der Mitte dieser Stadt, die sich wenig um Gott schert und über vermutete Moralvorstellungen in der Kirche spottet, die größten Moralisten hervortreten. Meine Zeitung – der Tagesspiegel – zeigte am Mittwoch Margot Käßmann in hämischer Karikatur als beschwipste Alkoholikerin. Nach ihrem Rücktritt wird in der Karikatur am Donnerstag ganz schnell das eigene Pharisäertum und die eigene Herzenshärtigkeit auf Gott übertragen: Jesus am Kreuz werden die Worte der Moralisten in den Mund gelegt. Dabei ist es diese vermeintlich tolerante (Medien-)Gesellschaft, die nicht vergeben kann und Opfer fordert.

Eva-Maria Menard, Berlin-Mitte

Hut ab vor Margot Käßmann, solche aufrechten Menschen, die verantwortlich und konsequent zu ihrem Handeln stehen, kann man in Politik und Wirtschaft, aber auch sonst in der Gesellschaft mit der Lupe suchen. Damit ist sie ein absolutes Vorbild. Wir sollten sie nicht aus den Augen verlieren. Ich würde sie mir eines Tages als Bundespräsidentin wünschen.

Dr. Harald Zühlke, Berlin-Lichterfelde

Bei der nicht zu leugnenden Verfehlung hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt sollte bei der Gesamtwürdigung des Vorgangs auch gebührend berücksichtigt werden, welch hohes Ansehen Frau Käßmann in allen gesellschaftlichen Bereichen aufgrund ihrer vorbildlichen Amts- und Lebensführung – insbesondere nach ihrer schweren Erkrankung – selbst jetzt noch genießt. Insofern begrüße ich sehr die angemessene, sachliche Berichterstattung des Tagesspiegels.

Natürlich gelten für Frau Käßmann die Gesetze genauso wie für alle anderen Mitbürger auch. Dennoch sollte im Rahmen einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit und einer Güterabwägung die Frage gestattet sein, ob bei der fraglichen kurzen Fahrt zur Wohnung – offenbar und zum Glück ohne jegliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nachts um 23 Uhr – die Reaktion und die Maßnahmen der beobachtenden Polizisten nicht andere hätten sein können, zumal bei der Inhaberin höchster Kirchenämter ein atypisches Einzelfalldelikt ohne Wiederholungsgefahr zu unterstellen war. Franz von Assisis Spruch trifft hier vielleicht den Kern: Tue erst das Notwendige, dann das Mögliche und plötzlich schaffst du auch das Unmögliche.

Doch was ist geschehen? Der Fall wurde als Spektakel der Sensationslust der Öffentlichkeit preisgegeben, die Biografie eines hoch geschätzten Menschen zerstört, die evangelische Kirche insgesamt verurteilt und einer anerkannten Persönlichkeit beraubt. Ein Pyrrhussieg der „Buchstaben des Gesetzes“.

Helmut Schenk, Berlin-Lankwitz

Die Entscheidung von Frau Käßmann, von ihren Spitzenämtern zurückzutreten, verdient größten Respekt. Alle, die sie vorschnell verdammt haben, sollten sich fragen, ob sie in vergleichbarer Situation auch demütig auf ihre höchsten Ämter verzichtet hätten.

Und wenn schon das Thema „Verfehlungen“ bei kirchlichen Würdenträgern angesprochen ist: es würde der katholischen Kirche angesichts weit größerer moralischer Vergehen – selbst wenn sie juristisch verjährt sind – auch gut zu Gesicht stehen, umfassendere personelle und institutionelle Konsequenzen zu ziehen.

Dr. Ralf Justiz,

Berlin-Falkenhagener Feld

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false