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Meinung: Den Aufschrei verzögert

„Streit um Kirchner-Bilder verschärft sich“ vom 8. September 2006 Mit Entsetzen und Trauer habe ich aus den Medien erfahren, dass die „Berliner Straßenszene“ von Ernst Ludwig Kirchner am 8.

„Streit um Kirchner-Bilder verschärft sich“ vom 8. September 2006

Mit Entsetzen und Trauer habe ich aus den Medien erfahren, dass die „Berliner Straßenszene“ von Ernst Ludwig Kirchner am 8. September in New York von Christie’s versteigert wird. Das Bild stellt wie kein anderes die mondäne dekadente Zeit der 20er Jahre in Berlin dar. Viele Zeugnisse aus dieser Zeit sind uns nicht geblieben. Das Flair der Friedrichstraße ist inzwischen durch eine öde und funktionelle Architektur zerstört. Der Potsdamer Platz war 50 Jahre lang eine Wüste – ödes Grenzgebiet zwischen Ost- und West-Berlin, über dem die Krähen kreisten, das inzwischen mit einer mittelmäßigen Architektur bestellt ist. Ein lebendiges Zeugnis der wilden 20er Jahre war das Bild Kirchners, das bis vor kurzem noch dem Berliner Brücke-Museum gehörte. Es ist völlig unverständlich, dass sich weder das Museum noch die zuständige Kulturverwaltung des Senats auf das Herausgabeverlangen der Erbin und ihrer amerikanischen Anwälte mit einem Aufschrei an die Öffentlichkeit gewandt haben, sondern das Bild in aller Stille herausgegeben haben.

Es wäre die Pflicht der Direktorin des Museums wie auch des Kultursenators gewesen, das Herausgabeverlangen der Öffentlichkeit mitzuteilen und zur Diskussion zu stellen. Es wurde nicht einmal für nötig gehalten, den Vorsitzenden des Fördervereins des Brücke-Museums zu unterrichten. Beide Instanzen haben ihre Pflicht, das ihnen anvertraute Kulturgut zu pflegen und zu bewahren, verletzt, als sie das Bild voreilig und in aller Stille herausgegeben haben.

Dr. Lydia Grzimek,

Berlin-Wilmersdorf

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