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Meinung: Die Flüchtlingsfamilie Ristic sollte nicht auf der Strecke bleiben

„Die halbierte Familie“ vom 16. August und „Innensenator verteidigt Abschiebungen“ vom 27.

„Die halbierte Familie“ vom 16. August und „Innensenator verteidigt Abschiebungen“ vom 27. August 2004

Das Schicksal der Familie Ristic ist bedrückend für die Betroffenen, für unser Gemeinwesen ist der Umgang mit diesem und vergleichbaren „Fällen“ nicht nur äußerst bürokratisch, sondern auch ziemlich unsinnig und gegen die eigenen Interessen gerichtet. Juristisch gesehen mag es ja hier tatsächlich keinen Formfehler geben, das ist aber auch alles. Die Vernunft und auch der menschliche Umgang bleiben auf der Strecke.

Seit zehn Jahren sind diese Leute hier, sie sind offenbar fest entschlossen zu bleiben, und dafür werden sie ihre Gründe haben, denn niemand kehrt seiner Heimat auf Dauer so mir nichts, dir nichts den Rücken. Vermutlich arbeiten die Eheleute, oder auch nur einer, vielleicht auch nur gelegentlich. In jedem Falle natürlich „schwarz“, denn eine Arbeitserlaubnis werden sie nicht besitzen.

Die Töchter, so gut sie in der Schule sein mögen, können trotzdem keinen Ausbildungsplatz bekommen, denn dazu braucht man ebenfalls eine Arbeitserlaubnis, und die bekommt man mit dem Aufenthaltsstatus, den die Ristics haben, nicht. Auch nicht nach zehn Jahren!

Wir fürchten die „Vergreisung“ unserer Gesellschaft, sorgen uns über den demografischen Wandel und klagen über den Mangel an Kindern und Jugendlichen – hier wären zwei, der deutschen Sprache offenbar mächtig und willens, etwas zu lernen. Bieten wir ihnen – und uns – eine Chance? I wo – raus mit ihnen, so steht es geschrieben. Und die Eltern? Sollten sie nicht besser legal arbeiten, Steuern und Abgaben zahlen und sich nicht so lange an Sozialhilfe plus Schwarzarbeit gewöhnen?

Ich kenne bosnische Familien, die zu diesen wenigen „Übriggebliebenen“ gehören, die unter ständigem Druck, ständiger Unsicherheit leben, die ihre Zukunft nicht planen können und deren Leben dadurch praktisch zerstört ist. Vor allen Dingen trifft es die Jugendlichen, die in eine abzusehende berufliche Perspektivlosigkeit hineingeraten, aus der sie nur schwerlich wieder herauskommen werden. Kostbare, verlorene, verschenkte Lebensjahre. In der Zuwanderungskommission der Bundesregierung („Süssmuth-Kommission“), deren Mitglied ich war und in der ich den Vorsitz der Arbeitsgruppe „Integration“ hatte, waren wir einstimmig der Meinung, dass Flüchtlingskindern die Möglichkeit zu einer beruflichen Ausbildung gegeben werden sollte. Der Bericht wurde am 4. Juli 2001 vorgelegt …

Was das neue Zuwanderungsgesetz hier bringen wird, bleibt abzuwarten. Einen klaren, nachvollziehbaren Schnitt für ein sinnvolles Bleiberecht wird es für Familien wie die Ristics jedenfalls nicht geben. Einzusehen ist das nicht.

Cornelia Schmalz-Jacobsen, ehemalige Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Berlin-Charlottenburg

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