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Meinung: Gehört der Börsengang der Bahn endgültig vom Tisch?

Zum Chaos bei der Berliner S-BahnIch bin den Finanzhasardeuren ausgesprochen dankbar für ihr Tun, haben sie doch verhindert, dass die Deutsche Bahn an die Börse ging. Insofern kam die Finanzkrise gerade rechtzeitig.

Zum Chaos bei der Berliner S-Bahn

Ich bin den Finanzhasardeuren ausgesprochen dankbar für ihr Tun, haben sie doch verhindert, dass die Deutsche Bahn an die Börse ging. Insofern kam die Finanzkrise gerade rechtzeitig. Die gegenwärtigen Verhältnisse bei der Berliner S-Bahn führen uns anschaulich vor Augen, was auf die Bahnkunden überall in Deutschland zugekommen wäre, wenn die jeweils gerade verantwortlichen Verkehrspolitiker und Herr Mehdorn ihr Vorhaben hätten verwirklichen können.

Die Bahn ist in den letzten Jahren schon auf Verschleiß gefahren worden, jeder Bahnkunde wird ein Lied davon singen können. Der Bund sollte seine Lehren aus dem Berliner S-Bahn-Desaster, das vorübergehen wird, ziehen und den Börsengang alsbald komplett absagen, der Bahn wieder Luft verschaffen und endlich für ein bahnfreundliches verkehrspolitisches Klima sorgen.

Michael Szczepaniak, Berlin-Karlshorst

Das derzeitige Chaos bei der S-Bahn hat nur eine einzige Ursache: Die Konzernmutter Bahn hat das Unternehmen ausgepresst wie eine Zitrone, um mit guter Bilanz einen erfolgreichen Börsengang hinzulegen. Der ist zwar aufgrund der Finanzkrise verschoben, aber nicht endgültig abgesagt worden. Wenn man sich nun aber ansieht, wohin der Privatisierungswahn führt, dass mit dem Verstoß gegen die Auflagen des Eisenbahn-Bundesamtes sogar Schaden für Leib und Leben der Fahrgäste in Kauf genommen wurde, um das Betriebsergebnis um ein paar Milliönchen aufzubessern, dann lässt das nur einen Schluss zu: Die Bahn muss in staatlicher Hand bleiben. Nur dann kann gesichert werden, dass in Zukunft wieder der Fahrgast im Mittelpunkt des Fahrbetriebs steht. Unsere Nachbarn sollten uns Vorbild sein: In Großbritannien ist die Privatisierung der Bahn grandios gescheitert, Frankreich und die Schweiz machen nicht die geringsten Anstalten die Bahnen zu privatisieren. Und dort läuft es prima, so wie es ist.

Hans-Joachim Jacobs, Berlin-Moabit

Sehr geehrter Herr Szczepaniak,

sehr geehrter Herr Jacobs,

Deutschland braucht einen starken Öffentlichen Personennahverkehr als Bestandteil der Daseinsvorsorge. Was die Berliner derzeit an Einschränkungen hinnehmen müssen, ist schnellstens zu beseitigen. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf korrekte Vertragserfüllung durch die Berliner S-Bahn. Sie muss fahrplantreu und sicher sein. Die Auswechselung der Geschäftsführung war richtig, weil die Selbstverpflichtung zur technischen Überprüfung gegenüber dem Eisenbahnbundesamt nicht eingehalten wurde. Dies löst aber noch nicht die praktischen Probleme. Die schnelle Erfüllung der technischen Anforderungen des Eisenbahnbundesamtes und die Wiederaufnahme des regulären Fahrbetriebs müssen an erster Stelle stehen. Bahnchef Grube kann jetzt gutes Krisenmanagement bei der DB-AG beweisen. Diese Krise ist ein Erbe seines Vorgängers Mehdorn, dessen Unternehmensstrategie sich nun als zu riskant erweist. Massive Sparprogramme sollten die Bilanz verschönern. So wurden die Prüfintervalle bei der S-Bahn verlängert. Wir haben vor solch risikobehafteten Sparprogrammen gewarnt. Wie fit ein Unternehmen ist, darf nicht nur an kurzfristigen Erfolgskennzahlen gemessen werden. Die neue Unternehmensstrategie muss stärker auf ein nachhaltiges Wirtschaften in den einzelnen Geschäftsfeldern ausgerichtet sein. Der Vorschlag des neuen Bahn-Chefs Grube, ein eigenes Vorstandsressort Technik, Systemverbund und Dienstleistungen zu schaffen, ist sinnvoll.

Die DB-AG muss sich gerade im Regional- und S-Bahn-Verkehr zunehmend dem Wettbewerb stellen. Sie kann darin nur bestehen, wenn sie kostengünstig, kundenorientiert, qualitativ hochwertig und sicher arbeitet. Die derzeit schlechte Leistung der S-Bahn wird bei künftigen Entscheidungen über die Vergabe des Betriebs der Berliner S-Bahn beachtet werden. Dass die Wettbewerber der DB-AG in der Lage sind, ihre Leistungen qualitativ hochwertig und sicher anzubieten, ist inzwischen deutschlandweit bekannt und wird von den Kunden geschätzt.

Der Aufbau funktionierender Wettbewerbsstrukturen im Schienenverkehr ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Fortsetzung der 1994 begonnenen Bahnreform. Voraussetzung ist, dass alle Wettbewerber uneingeschränkt Zugang zur Schieneninfrastruktur haben und bei ihrer Angebotsplanung nicht durch ein staatsmonopolistisches Unternehmen behindert werden. Daher war es richtig, dass CDU und CSU bei der Weichenstellung für einen möglichen Privatisierungsprozess der DB-AG darauf gedrungen haben, dass die Infrastruktur (Netz und Bahnhöfe) im Eigentum des Staates verbleibt, die der damalige Bahnchef Mehdorn und die Führung der SPD seinerzeit auch materiell privatisieren wollten. Damit wäre der Nährboden für Entwicklungen geschaffen worden, mit denen Großbritannien schlechte Erfahrungen gemacht hat: kurzfristige Renditeerfolge bei hochriskantem Verschleiß der Schieneninfrastruktur.

Mit den von CDU/CSU verfolgten Zielen für einen echten Wettbewerb auf der Schiene wird das nicht riskiert. Langfristig gewährleistet gerade der Wettbewerb von Unternehmen auf der Schiene ein hohes Maß an Qualität und Sicherheit, die zusätzlich staatlich kontrolliert werden. Das Eisenbahn-Bundesamt beweist gerade, dass es zur Durchsetzung seiner Sicherheitsvorgaben in der Lage ist. Der Berliner Senat versucht seinerseits, die bestellte Qualität durchzusetzen - auch mittels finanzieller Sanktionen. Ich habe meine Zweifel, ob derartige Sicherheits- und Qualitätsstandards in rein staatsmonopolistischen Bahnstrukturen zum Tragen gekommen wären.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

— Dirk Fischer (CDU), verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag

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