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Meinung: Grips-Theater ist ein Hort der richtigen Vorstellungen

„Mannomann, diesmal sind die Alten dran!“vom 11.

„Mannomann, diesmal sind die Alten dran!“vom 11. Dezember 2004

Sophie Dannenberg hat offenbar ihr Kinderzimmer aufgeräumt und dabei die GripsSchallplatten gefunden – die letzte aus dem Jahr 1976. Das ist fast dreißig Jahre her, ungefähr so lange, wie Sophie Dannenberg alt ist. Ihre Mutter oder ihr Vater (den Sophie Dannenberg ohnehin ständig mit Volker Ludwig verwechselt) mögen ihr die Schallplatten geschenkt haben. Was sie Sophie Dannenberg nicht schenken konnten, war die Stickluft jener Zeit, die sich gerade (unter anderem: dank des Grips-Theaters) zu verflüchtigen begann. Die Meckertanten an den Sandkästen, die vielen Schilder „Spielen im Hausflur und im Hof verboten“, der Kommandoton, das Stillsitzen, alte Nazis oder Polizisten, die das Eintreten von Türen für richtig hielten.

Kurz: Sophie Dannenberg urteilt immer noch aus dem Kinderzimmer, anstatt mal aus dem Fenster zu schauen. Im Kinderzimmer begann offenbar „die Verwüstung der kindlichen Seele“. Ja, wenn man das Kinderzimmer nicht verlässt, dann kommt man schon auf solche Gedanken: „Wenn mir ein Frauenfeind begegnet, dachte ich damals, stelle ich mich vor ihn hin und singe. Es kam aber keiner.“ Da muss Sophie Dannenberg sich aber irrsinnige Mühe gegeben haben, keinem Frauenfeind zu begegnen. Damals. Es gibt sie ja noch heute.

Als ersten Schritt aus dem Kinderzimmer würde ich Sophie Dannenberg ein wunderbares neues Stück des GripsTheaters empfehlen, „Lena in der Wüste“ – da versuchen zwei Kinder sich zu verständigen, draußen, in einer heutigen Wüste.

Prof. Klaus Wagenbach, Berlin-Wilmersdorf

Bravo, Sophie Dannenberg, all meinen aufgestauten Frustrationen in Sachen pseudolinker, selbstzufriedener Kulturmache wurde durch Ihren Aufsatz der feinste Dammbruch beschert. Merry Christmas!

Rainer Dornemann, Minneapolis (Minnesota), USA

Wenn Sophie Dannenberg die Dramaturgie von Bühnenkonflikten und das Rollenverhalten von Bühnenfiguren so missversteht, wie sie es im Tagesspiegel beschreibt, dann gleicht sie damit einer Theaterbesucherin, die meint, das beklagenswerte Schicksal von Shakespeares Ophelia oder Julia auch für sich selber nachvollziehen zu müssen. Mit der Bühnenrealität und ihrer Rezeption durch das Publikum hat das nichts zu tun, wohl aber mit der hypersensiblen Ichbezogenheit einer Autorin, die sich auf Kosten einer mutigen und unkonventionellen Bühne wichtig machen möchte.

Manfred Jenke, Berlin-Wilmersdorf

Dank ihrer späten Geburt im Jahre 1971 hat Frau Dannenberg Stücke des Grips-Theaters, die sie als so gefährlich für die Entwicklung eines Kindes in ihrem Artikel verreißt, nie selber gesehen. Sie war also nicht anwesend, als Kinder damals ihren großen Spaß an Volker Ludwigs Stücken hatten, in denen es ihnen half, mehr zu sehen über diese Welt, als ihnen die damalige rigide Welt- und Hausordnung vorgaukelte.

Frau Dannenberg hat offensichtlich nicht verstanden, dass auch Kinder Rechte haben, sich zu wehren gegen autokratische und patriachalische Erziehungsmethoden und gegen Diktatur im Haus und auf der Straße. Nun, so scheint mir, wehrt sie sich in ihrem Artikel nicht gegen Volker Ludwig und sein Grips-Theater, sondern gegen die Tatsache, dass ihr dies alles entgangen ist. Denn zu den Grips-Kindern, die heute als Erwachsene noch stolz von „ihrem“ Theater berichten und nicht zu Monstern wurden, wie sie es nach der Schilderung der Frau Dannenberg unter dem Einfluss der Texte des Grips-Theaters hätten werden müssen, gehört sie nicht. Sie sollte einmal, heute als Erwachsene, mit mir in das Stück „Ab heute heißt Du Sara“ gehen. Vielleicht würde ihr dann der Sinn der Texte und Lieder des Grips-Theaters von damals und heute offenbar.

Inge Deutschkron, Berlin-Wilmersdorf

Der Bericht, nein die „Abrechung“ mit Volker Ludwig hat mich sehr an die Zeiten erinnert, die ich als Mutter einer Tochter im gleichen Alter von Frau Dannenberg in der Auseinandersetzung mit den Konservativen in der Stadt, namentlich der CDU, miterlebt und geführt habe. Alles lange vorbei, längst Geschichte, denn in der Zwischenzeit haben alle !!! (na ja, sehr, sehr viele) mit dem Grips-Theater ihren Frieden geschlossen. Vielleicht, weil das GripsTheater mit seinen Stücken früher Themen aufgegriffen hat, die in der Zwischenzeit in der Gesellschaft längst nicht mehr so umstritten – allerdings noch immer nicht dauerhaft umgesetzt worden sind – wie die Gleichberechtigung, die partnerschaftliche, gewaltfreie Erziehung von Kindern, demokratische Verhaltensweisen von Erwachsenen, Behörden. Das alles sind Prozesse, die längere Zeit dauern, aber immer wieder angestoßen werden müssen, damit unsere Gesellschaft nicht in satter Zufriedenheit erstarrt. Frau Dannenberg stellt viele Fragen – erstaunlich, dass sie trotz der dem Grips-Theater vorgeworfenen Manipulation von Kinderseelen so eine kritische Frau geworden ist – oder vielleicht gerade deshalb? Ich stelle mir allerdings die Frage, was sie damit bezwecken will? Oder gehört diese Abrechnung mit dem Grips-Theater einfach zu ihrem Erwachsenwerden dazu? Hat Frau Dannenberg sich etwa nicht an die Auseinandersetzung mit ihren Eltern herangetraut, die sie scheinbar ständig ins Grips-Theater geschleift haben – und jetzt auf die „Vater-Figur“ Volker Ludwig zurückgegriffen?

Petra Merkel (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestages, Wahlkreis Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf

War es ein Ausrutscher oder hat die PisaStudie auch beim Tagesspiegel zu neuen Überlegungen geführt? Nicht, dass ich nun gleich die Hoffnung hege, der Tagesspiegel überdenke seine jahrzehntelange Hofierung des Grips-Theaters, so ist doch mit Erstaunen festzustellen, dass auch mal einer anderen Sichtweise Gehör geschenkt werden darf. Vielleicht hat das Weltbild, das den Kindern im Grips-Theater vermittelt wird, weitaus mehr etwas mit unserer Bildungsmisere zu tun, als viele es erahnen. Die meisten jüngeren Leser werden nur vermuten können, welche Palastrevolution Frau Dannenberg versucht anzuzetteln.

Da meine Frau und ich bisher vier Kinder durch dieses Schulsystem geleitet haben, kann ich beurteilen, welchen Stellenwert dieses Theater im Berliner Schulsystem hat. Nur wer seine Kinder nicht dorthin gehen ließ, konnte zu spüren bekommen, was es bedeutete, diese Quasi-„Pflichtbesuche“ zu boykottieren.

Für uns war das Grips-Theater nie ein Vorbild, um Erziehungsideale wie Selbstständigkeit, Höflichkeit, Freundlichkeit, Lernmotivation, Leistungsbereitschaft, Toleranz u. a. zu vermitteln. Daher waren dann auch wir häufiger im Grips- Theater als unsere sechs Kinder.

Georg Schmidt, Berlin-Wannsee

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