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Meinung: Ist die Welt Zockern ausgeliefert?

„Der schwarze Sold / Mit den Gesetzen des Marktes, sagen viele, hat der Ölpreis längst nichts mehr zu tun“ von Friedhard Teuffel vom 24. Juni Glückwunsch zu dieser wirklich exzellenten Recherche über die Teilnehmer am Markt der Ölspekulation.

„Der schwarze Sold / Mit den Gesetzen des Marktes, sagen viele, hat der Ölpreis längst nichts mehr zu tun“ von Friedhard Teuffel vom 24. Juni

Glückwunsch zu dieser wirklich exzellenten Recherche über die Teilnehmer am Markt der Ölspekulation. Die Terminmärkte haben sich längst weit von ihrer ursprünglichen Funktion entfernt und sind zu einem Tummelplatz für Finanzjongleure und -hasardeure geworden. Man ist es leid, irgendwelche Expertisen über die angeblichen Gründe der Preisentwicklung präsentiert zu bekommen, wenn man sich leicht ausrechnen kann, dass der Verfasser selbst in irgendeiner Weise am Geschehen beteiligt ist. Wenn eine renommierte Investmentbank wie Goldmann Sachs bekannt gibt, dass sie den Barrelpreis in naher Zukunft bei 150 Dollar pro Fass erwartet und der Preis am selben Tag emporschnellt ist das wohl der Inbegriff der sich selbst erfüllenden Prophezeihung. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

Die deutsche Politik hat hier sicher kaum Einfluss, hält sich aber mit den sonst üblichen verbalen Ermahnungen an die Transparenz der Märkte auffallend zurück. Wenn wundert es, fließen Herrn Steinbrück über die Mehrwertsteuer auf die erhöhten Benzinpreise doch willkommene Mehreinahmen in die schwindsüchtigen Kassen.

Öl ist zu einer „Anlageklasse“ geworden, mit den beschriebenen Folgen. Bei Nahrungsrohstoffen wie Mais, Getreide oder Reis beginnt sich bereits eine ähnliche Entwicklung abzuzeichnen. Wird die Politik hier auch tatenlos zusehen, wenn sich eine unmoralische Clique von Spielern die Taschen voller Geld stopft, während Millionen vom Menschen auf der Erde sich nicht einmal mehr eine Portion Reis leisten können?

Es lebe die Freiheit der Märkte!

Tobias Kränzlein, Berlin-Marzahn

Sehr geehrter Herr Kränzlein,

ohne Zweifel hat die stark steigende Nachfrage nach Öl und anderen erschöpfbaren Rohstoffen zu dem drastischen Preisanstieg während der letzten Jahre in erheblichem Umfang beigetragen. Sie haben jedoch Recht, wenn Sie mit Blick auf den Artikel anmerken, dass damit nicht alles erklärt ist. Tatsächlich spielen die Finanzmärkte und die Investoren auf diesen Märkten für unsere heutige Wirtschaft eine maßgebliche und teilweise durchaus zweifelhafte Rolle.

Es geht zunehmend weniger um die Absicherung unsicherer realwirtschaftlicher Geschäfte, gegen die nichts einzuwenden ist, sondern um Preisspekulation. Dabei ist der Kern der Spekulation, nämlich dass zum Beispiel der Ölpreis in Zukunft wegen der Begrenztheit der Reserven weitaus höher als in der Vergangenheit liegen dürfte, im Kern richtig. Allerdings hat die verstärkte Tendenz zu Finanzmarktinvestitionen diesen Prozess beschleunigt, was zu den starken aktuellen Preissteigerungen beigetragen hat. Bemerkenswert ist, dass diese Preissteigerungen für zukünftiges Öl, von den Energiekonzernen trotz niedrigerer Bezugspreise, die sie aufgrund ihrer längerfristigen Lieferverträge haben, meist sofort am Markt durchgesetzt werden können. Dies spricht für erhebliche Mängel im Wettbewerb. Hier ist die Politik dringend gefordert. Denn dieser Preisanstieg erzeugt gravierende wirtschaftliche Probleme bei ohnehin einkommensschwachen Schichten in den Industrieländern, vor allem aber auch in den ärmeren Ländern.

Spekulationsblasen platzen zudem irgendwann. Wie viele Teile der Finanzmärkte ist auch derjenige für Rohstoffe weitgehend unreguliert und damit wenig verankert. Damit ist gemeint, dass Anleger in Ermangelung von verlässlichen Orientierungen völlig unrealistische Erwartungen sowohl über die Renditechancen als auch über mögliche Risiken entwickeln. Insbesondere gibt es die Tendenz, dass die Renditeerwartungen weit über denen der Realwirtschaft liegen. Das hat zwei Folgen, zum einen erhöht sich der Zustrom an Geld für Finanzmarktinvestitionen zulasten von wachstumsträchtigen realwirtschaftlichen Investitionen. Zum Zweiten ist eine solche Entwicklung nicht nachhaltig. Zwar erhöht der ständige Zustrom an Finanzmitteln tatsächlich zunächst die Kurse und damit die Renditen auf den Finanzmärkten. Sind dies Zuwächse jedoch auf Dauer nicht durch realwirtschaftliche Einkommenszuwächse gedeckt, bleibt der Zustrom an Kapital nicht stark genug, um die Kursinflation immer weiter zu nähren. Irgendwann brechen die Kurse zusammen und Kapital wird vernichtet. Das hat dann weitere negative Folgen für die Weltwirtschaft.

Aus alldem folgt, dass sich die Wirtschaftspolitik mehr um die Stabilität der Finanzmärkte bemühen muss. Dazu zählen vor allem regulatorische Maßnahmen, die ein unseriöses Finanzgebaren eindämmen. Man sollte gerade auch in Deutschland auch über eine Börsenumsatzsteuer nachdenken, die den Anreiz für solche spekulativen Transaktionen merklich vermindert. Dies alles wird auf Dauer nicht zu sinkenden Energiepreisen führen, aber es dürfte die Instabilität der „freien“ Märkte verringern.

Mit freundlichen Grüßen

— Prof. Dr. Gustav A. Horn,

Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für

Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung

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