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Meinung: Kann die S-Bahn die Berliner pünktlich zur Arbeit bringen?

Zum Chaos bei der Berliner S-BahnWir Berliner haben die Nase voll von der Willkür der S-Bahn und den Unregelmäßigkeiten im Betriebsablauf. Wenn die S-Bahn nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen nachzukommen, dann muss den Fahrbetrieb halt ein anderes Unternehmen übernehmen.

Zum Chaos bei der Berliner S-Bahn

Wir Berliner haben die Nase voll von der Willkür der S-Bahn und den Unregelmäßigkeiten im Betriebsablauf. Wenn die S-Bahn nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen nachzukommen, dann muss den Fahrbetrieb halt ein anderes Unternehmen übernehmen.

Inge Sawatzki, Berlin-Treptow

Was glauben die Verantwortlichen Manager von der S-Bahn eigentlich, wozu der normale Berliner mit der S-Bahn fährt, vor allem morgens und abends? Wozu er sich eine Monatskarte leistet?

Nach einigem Nachdenken kommen die Herren wohl auch von selbst drauf, aber sicherheitshalber gebe ich die Antwort trotzdem: Wir Fahrgäste fahren meist nicht mit diesem Verkehrsmittel, weil es besonders schön ist - die Zeiten sind lange vorbei. Nein, wir nutzen die meist verdreckten und im Berufsverkehr völlig überfüllten Züge, um schnell, sicher und vor allem pünktlich (!) von A nach B zu gelangen. Zu Beispiel auf dem Weg zur Arbeit. Unsere Chefs legen übrigens genau wie die bei der S-Bahn wert darauf, dass ihre Arbeitnehmer pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen. Wenn wir mit der S-Bahn fahren können wir das aber nicht mehr gewährleisten. Was sollen wir also tun? Früher losfahren? Klappt nicht, die Kinder müssen in die Kita. Einfach zu spät kommen? Nein, ich arbeite gerne und möchte dass auch weiterhin bei meinem derzeitigen Arbeitgeber tun. Die Lösung ist eigentlich ganz einfach: Wir suchen uns eine Alternative zur S-Bahn.Und noch ein Tipp für den Senat: Er möge doch prüfen, ob es für die Berliner S-Bahnstrecken nicht auch Betreiber gibt, die zuverlässig und kundenorientiert fahren. Die S-Bahn Berlin GmbH ist dazu ja offensichtlich nicht bereit.

Jürgen Bartels, Berlin-Charlottenburg

Sehr geehrte Frau Sawatzki,

sehr geehrter Herr Bartels,

die S-Bahn ist das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in Berlin – bis hinaus nach Brandenburg. In Berlin fährt man „öffentlich“. Die S-Bahn hat einen entscheidenden Anteil daran, dass nur jeder dritte Berliner ein Auto besitzt. Aber Ihre Klage ist berechtigt: Der ehemals gute Ruf der Berliner S-Bahn ist in letzter Zeit mehr und mehr beschädigt worden. Die Fahrgäste warten auf ihre Züge. Man ist teilweise nur noch in der Lage, einen 20-Minuten-Takt anzubieten. Kommt irgendwann ein Zug, ist er überfüllt. Es sind oft nur noch kürzere Züge unterwegs. Teilweise werden einige Strecken gar nicht bedient. Es sind Zustände, die man in einem hochentwickelten Land wie Deutschland für unmöglich gehalten hat. Auf dem Weg zur Arbeit erlebe ich jeden Tag das Chaos mit anderen Fahrgästen.

Seit zwei Jahren weist der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg auf die Verschlechterung der Qualität hin. Die Probleme kamen nicht über Nacht. Die Bahn wurde von der Führung auf Verschleiß gefahren. Die Verantwortung liegt beim Mutterkonzern Deutsche Bahn AG. Lange Zeit wollte dessen Führung an die Börse und zum international tätigen Logistikanbieter werden. Mit diesem Ziel wurde aus dem Unternehmen herausgeholt, was möglich war. 2008 überwies die S-Bahn rund 56 Millionen Euro - erwirtschaftet durch einen rigiden Sparkurs: mit Stellenabbau, Werkstattschließungen und Verschrotten von Zügen. Diese Rendite ist vollkommen unüblich in dieser Branche. Zumal es sich zum Teil um Steuergeld handelt, was nicht wieder reinvestiert wurde.

Die aktuelle Lage ist nicht hinnehmbar. Immerhin scheint jetzt endlich Bewegung in die Situation zu kommen: Die Geschäftsführung der S-Bahn GmbH wurde abgelöst. Das allein reicht jedoch nicht. Es muss ein fundamentaler Strategiewechsel herbeigeführt werden, der wieder den Fahrgast als das Maß aller Dinge begreift. Damit die Leistung wieder stimmt, muss die Qualität in den Vordergrund rücken. Pünktlichkeit, Sicherheit und Sauberkeit müssen die maßgeblichen Kriterien sein. Alles gehört auf den Prüfstand - Betriebsablauf, Werkstattkapazität, Anzahl der Mitarbeiter, Fahrzeugreserven. Es müssen Strukturen geschaffen werden, damit sich so etwas nicht wiederholt. Die 3000 Mitarbeiter dürfen nicht weiter demotiviert werden.

Beispiellos wurde Personal abgebaut – Fachleute, die heute fehlen. Auf vielen Stationen gibt es keine Ansprechpartner der S-Bahn mehr. Dynamische Zugzielanzeiger wurden abgebaut und durch Blechschilder ersetzt. Die Strategie des Einsparens hat sich als Irrweg erwiesen. Mehr und mehr Züge fielen aus. Im November 2006 prallte ein Zug im Bahnhof Südkreuz auf einen anderen. Mehr als 30 Fahrgäste wurden verletzt. Anfang dieses Jahres brach der Verkehr bei eiskalter Witterung beinahe zusammen, weil Teile der Technik durch unzureichende Wartung eingefroren waren. Der Gipfel des Missmanagements war der Unfall zum Maifeiertag, als ein Zug durch einen Radbruch entgleiste und nur durch Zufall keine Person zu Schaden gekommen ist. Wissentlich wurden elementare Sicherheitsvorgaben des Eisenbahn-Bundesamtes sowie die durch die S-Bahn Berlin GmbH selbst abgegebenen Verpflichtungen gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt ignoriert. Eines steht jedoch fest: Die S-Bahn ist wieder sicher, nachdem das Eisenbahn-Bundesamt im Rahmen seiner Kontrollen die Unregelmäßigkeiten aufdeckte und die Außerbetriebnahme der betroffenen Züge veranlasste.

Der Vertrag zwischen S-Bahn und Senat läuft bis 2017. Eine vorzeitige Vertragskündigung wird derzeit rechtlich geprüft. Vordergründiges Ziel muss es daher jetzt sein, dass die S-Bahn Berlin GmbH die Qualitätsprobleme rasch korrigiert und eine gute Qualität der Verkehrsangebote sicherstellt.

Ihr

— Hans-Werner Franz, Geschäftsführer des

Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB)

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