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Meinung: Macht der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr unser Land sicherer?

„Mit Sicherheit bedroht“ vom 29. September 2006 Die Entscheidung des Bundestages, den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr zu verlängern, halte ich für falsch.

„Mit Sicherheit bedroht“ vom 29. September 2006

Die Entscheidung des Bundestages, den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr zu verlängern, halte ich für falsch. Der deutsche Botschafter in Kabul hat es treffend umschrieben: „Es brennt.“ Die Situation im Süden des Landes, wo seit Monaten internationale Truppen gegen die Taliban kämpfen, ist laut seiner Einschätzung „militärisch nicht in den Griff“ zu bekommen. Damit verschlechtert sich natürlich auch die Sicherheitslage der in den „sicheren“ Provinzen im Norden stationierten deutschen Soldaten.

Die ausländischen Soldaten werden von der Bevölkerung in Afghanistan zunehmend eher als Besatzer denn als Helfer oder gar „Befreier“ wahrgenommen. Das führt dazu, dass die Bevölkerung die Taliban zunehmend unterstützt. Ein anderes Problem, dass nicht in den Griff zu bekommen ist, ist der Drogenhandel. Das Geschäft mit Drogen trägt immer noch ungefähr die Hälfte zum Bruttoinlandsprodukt in Afghanistan bei. Die Hälfte! Geht man gegen das Geschäft mit Rauschgift vor, nimmt man den Menschen schlicht und einfach ihre Existenzgrundlage. Eine alternative Möglichkeit, sich das Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen ist in dem Land meist nicht vorhanden. So treibt man die Bevölkerung in die Arme der Taliban. Das Einzige, was die Situation dort dauerhaft befrieden kann, ist ein deutlich beschleunigter Aufbau des Landes. Der ist aber nicht möglich, solange die USA ihren Schwerpunkt weiter auf Militäroperationen statt auf den Wiederaufbau Afghanistans legen. Und wer glaubt, dass die anderen

Nato-Staaten sich noch lange ansehen, wie ihre Soldaten im Kampfeinsatz fallen, während die deutschen sagen, wir dürfen nicht in den Süden, der irrt gewaltig. Schon deshalb hätte der Bundestag der Verlängerung des Afghanistanmandats nicht zustimmen dürfen. Wenn deutsche Soldaten in der Krisenregion Afghanistan stationiert sind, werden sie früher oder später auch Kampfeinsätze haben.

Das Engagement in Afghanistan wird uns wohl über kurz oder lang zum Ziel von Terroranschlägen machen.

Detlef Hoppe, Berlin-Mitte

Sehr geehrter Herr Hoppe,

ich kann Sie sehr gut verstehen und Ihre Haltung nachvollziehen. Aber mit genau denselben Argumenten, die Sie beschreiben, kann man zu einem anderen Ergebnis kommen.

„Es brennt in Afghanistan“, schreiben Sie, das ist richtig – gerade deshalb ist es notwendig, dass wir den Einsatz in Afghanistan verlängert haben. Wenn sich die internationale Gemeinschaft jetzt aus dem Land zurückzieht, dann würde Afghanistan sofort wieder im Bürgerkrieg versinken.

Dann wären fünf Jahre Wiederaufbauarbeit umsonst gewesen. Dann würden wir dieses Land der Hoffnungslosigkeit preisgeben, ohne Chance auf eine Zukunft. Wir haben Verantwortung übernommen in Afghanistan – nicht nur für gute Tage – auch für schlechte.

Das Land hat unzweifelhaft noch große Probleme, Sie haben es angesprochen: Der Drogenhandel nimmt wieder zu und die radikal-islamischen Taliban bedrohen die Fortschritte, die schon gemacht wurden. So haben zum Beispiel deutsche Wiederaufbauteams Schulen gegründet, vor allem für Mädchen und Frauen. Sie haben medizinische Stützpunkte eingerichtet und die Wasserversorgung in vielen Dörfern wiederaufgebaut.

Die Deutschen haben mitgeholfen dass Afghanistan wieder eine demokratische Regierung bekommen hat und sich die Menschen im Norden des Landes frei und ohne Angst bewegen können. Überlassen wir den Taliban und den Drogenbaronen das Feld, drehen wir das Rad zurück. Afghanistan hat 30 Jahre Bürgerkrieg erlebt. Was da zerstört wurde, nicht nur materiell, das kann man in fünf Jahren nicht wieder aufbauen.

Wir haben mit unserem Einsatz zur Stabilisierung der Strukturen beigetragen. Das erscheint vielleicht auf den ersten Blick wenig, ist aber angesichts der Geschichte des Landes sehr viel. Und da müssen wir weitermachen. Demokratie braucht sichere Strukturen. Das heißt aber nicht, dass wir die Augen verschließen oder die Situation schönreden. Afghanistan, auch im Norden, ist ein gefährlicher Einsatz, bei dem unsere Soldaten ihr Leben riskieren. Wir haben deshalb bei der Zustimmung zur Verlängerung des Einsatzes die Risiken gut abgewogen. Aber ein weiterer Aufbau dieses Landes ist nur mit einem weiterem Militäreinsatz zu gewährleisten.

Mit freundlichen Grüßen

— Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP),

MdB, Vorstandsvorsitzender

der Friedrich-Naumann-Stiftung

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