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Meinung: Mit der Ruhe im Berliner Süden ist es längst vorbei

„Justizsenatorin: Schärfere Gesetze bringen nichts“ vom 2. September 2005 Der Ruf nach härterem Durchgreifen von Polizei und Justiz ist in der aktuellen Situation verständlich.

„Justizsenatorin: Schärfere Gesetze bringen nichts“ vom 2. September 2005

Der Ruf nach härterem Durchgreifen von Polizei und Justiz ist in der aktuellen Situation verständlich. Vergessen wird dabei aber, dass solche Kinder bereits viel früher auffällig werden. Meist sind sie dann noch Kinder, die verzweifelt nach Halt, Orientierung und Zuneigung suchen und dies auf oft dramatische Weise zeigen. Wenn man in diesem Alter ansetzen würde, hätte man vielfach noch eine Chance, auf die Lebensperspektive dieser Kinder positiv einzuwirken. Was aber geschieht? In SteglitzZehlendorf wurde die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe dramatisch zusammengespart. Es gibt keine geeigneten Schulen für Kinder mit solchen Problemen. Diejenigen Schulpsychologen, die auch therapeutisch tätig werden konnten, wurden gekündigt. Und im Zuge der genialen Schulreform wurden die Möglichkeiten für sonderpädagogische Förderung im Bereich „emotionale und soziale Entwicklung“ derart zusammengestrichen, dass nun frühestens im 3. Schuljahr damit begonnen werden kann. Jetzt sollen auch noch die Schulstationen weggespart werden, die oft gute Chancen hatten, an diese Kinder und ihre Familien heranzukommen.

Regina Link, 12167 Berlin

„Wenn Angst zur Wut wird“ vom 31. August 2005

Dass in einigen Familien bei der Erziehung versagt wird, kann der Staat nicht zwangsläufig korrigieren, aber er kann sehr wohl seine Bürger schützen, indem auffällige Kinder und Jugendliche intensiver Betreuung und Beobachtung unterstellt werden. Wir Bürger entsagen dem Gesetz nach der Gewalt und legen sie in die Hände unseres Rechtsstaates und erwarten, dass er dieser Aufgabe nachkommen kann. Aber wenn selbst die Polizei nicht mehr durchweg als Autorität anerkannt wird, müssen Wege gefunden werden, dies zu ändern. Selbst aufgewachsen in Zehlendorf beobachte ich seit längerer Zeit, dass der „grüne Bezirk“ an einigen Orten gelegentlich besser gemieden werden sollte. Der Tod eines jeden Menschen lässt sich durch keinen Schadensersatz wieder gutmachen. Und der eines Kindes, wie der im Saarland, in Hamburg oder jetzt in Zehlendorf-Süd, lassen uns Bürger immer wieder sehen, wie machtlos unser Staat ist, seiner inneren Probleme Herr zu werden.

Robert Lüdtke, Berlin-Steglitz

„Die verwahrloste Gesellschaft“ vom 31. August 2005

Es ist nicht ganz falsch zu behaupten, die Stadt kümmere sich über die staatliche Erziehung zu wenig um ihre Kinder. Es ist aber auch nicht ganz richtig. Denn mit einer Vermittlung von Werten – noch dazu in der Schule, die selten als Ort kindlichen Glücks erfahren wird – ist es nicht getan, und zwar ganz egal, ob nun religiös oder atheistisch. Die Erziehung fängt ganz woanders an, bei den Eltern nämlich. Doch wer kümmert sich um die? Um deren Erziehung? Es geht also vielmehr darum, dass die Menschen sich selbst als einen Wert begreifen. Denn Respekt vor dem anderen ist ohne Selbstachtung nicht denkbar, ist höchstens blinder Gehorsam.

Woher aber soll man – noch dazu als Kind – einen Begriff dieses Wertes bekommen, der sich mit dem Begriff der menschlichen Würde, wie der gebildete Intellektuelle sie gern vor sich herträgt, vereinbaren ließe? In einer Gesellschaft, in der der Mehrwert im Zentrum steht, in der der Wert des Menschen als Konsument, Verbraucher, Kostenfaktor und Humankapital begriffen, in der der Wert eines Menschen auf seinen „Verkaufswert“ reduziert wird? Nicht, dass ich nicht wüsste, dass das Allgemeinplätze sind. Für Kinder aber ist das der Alltag, mit dem sie tagtäglich konfrontiert sind, und für dieses Leben lernen sie – und zwar weniger innerhalb eines pädagogischen Rahmenplans als vielmehr außerhalb desselben. Und Kinder nehmen diese Allgemeinplätze sehr ernst.

Steffen Pankau, Potsdam

Wundert es Sie ernsthaft, dass auch das vermeintlich ruhige Zehlendorf Schauplatz eines grausamen Kindermordes geworden ist? Aus eigener Erfahrung als Familienvater kann ich Ihnen berichten, dass es mit der Ruhe im Berliner Süden schon länger vorbei ist: Gewaltdrohungen entwurzelter Jugendlicher gegen vermeintlich Bessergestellte oder Schwächere sind seit einigen Jahren immer häufiger zu beobachten.

In meinem eigenen kleinen Umfeld habe ich in den vergangenen 24 Monaten so einiges sehen „dürfen“: ein angezündetes Auto, diverse Farbschmierereien an Privathäusern, zerkratzte und beschmierte Fahrzeuge sowie abgebrochene Autospiegel und -antennen. Solche mutwilligen Sachbeschädigungen werden von der Polizei häufig nur noch mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Täter können entweder gar nicht ermittelt werden oder dürfen aufgrund ihres Alters folgenlos weitermachen. Im höchsten Falle schicken überforderte Ämter hilflose Psychologen oder Sozialarbeiter, deren fromme Reden wirkungslos verhallen. Wirklich helfen könnte hier nur ein hartes Durchgreifen. Dazu scheinen aber weder Politik noch Justiz in Berlin bereit zu sein.

Die Ursachen dafür liegen m. E. in einer Entwicklung, die seit über 30 Jahren ungebremst anhält: der Zerstörung jeder gesellschaftlichen Ordnung.

So sind Politiker, die Drogen legalisieren oder – wie gerade geschehen – Sado-Maso-Feste und Schwulenparaden als herausragende Veranstaltungen für den Standort Berlin darstellen, verantwortlich für die Entwertung und Verunglimpfung der traditionellen Familie. Juristen, die statt abschreckender Urteile auf psychologische Behandlungen setzten, werden von gewaltbereiten Straftätern kaum ernst genommen und bestätigen diese so erst recht, ihren abnormen Weg weiterzugehen.

Thorsten Elsholtz, Berlin-Zehlendorf

Dem fehlenden Wertekunde-Unterricht liegt also die angebliche Verwahrlosung der Gesellschaft zu Grunde. Wenn schon keine Religion, dann wenigstens Wertekunde-Unterricht – und damit ist der Verrohung Einhalt geboten?

Glaube dies, wer es mag. Viel offensichtlicher bleibt es, dass mangelnde allgemeine Verantwortungsbereitschaft ein guter Nährboden für die Verrohung ist: Kein Haftrichter, kein Senator wird Verantwortung bei sich oder seinesgleichen sehen, keine Schule, die sich von ihren „Problemfällen“ löst; sie werden sich auf die korrekte Auslegung ihrer Gesetze und Verordnungen berufen. Es bleibt die falsche Wertevermittlung im Alltag, die einen wesentlich größeren Einfluss ausübt, als das Fehlen jedes Wertekunde-Unterrichts.

Wer übernimmt die Verantwortung für die Opfer? Wer übernimmt die Verantwortung für die Eltern, die den unvorstellbaren Verlust verarbeiten müssen? Wer übernimmt Verantwortung für die Geschwister, deren Kindheit durch diese Tat zerstört wurde?

Ist unser Klagen um Budgetkürzungen, ist unsere Angst um uns selbst und den Schutz unserer eigenen Kinder, ist unsere Beschäftigung mit den Tätern nicht schon wieder viel größer als unsere Verantwortung für die Opfer?

Dr. Michael Braun, Kleinmachnow

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