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Meinung: Müssen Lehrer Entertainer werden?

„Neuer PisaTest: Deutsche Schulen weiter zweitklassig“ vom 22. November 2004 Es erstaunt doch immer wieder, dass nach drei Jahren, auch durch die Fachjournalisten, nicht erkannt wird, woran es wirklich liegt, dass unser Bildungsniveau lediglich Mittelmaß ist.

„Neuer PisaTest: Deutsche Schulen weiter zweitklassig“ vom 22. November 2004

Es erstaunt doch immer wieder, dass nach drei Jahren, auch durch die Fachjournalisten, nicht erkannt wird, woran es wirklich liegt, dass unser Bildungsniveau lediglich Mittelmaß ist. Da wird gesagt, dass dringlich das Schulsystem reformiert werden müsste, indem man Gymnasien, Realschulen sowie Hauptschulen in ein Schulsystem zusammenführt.

Das haben wir längst bei der Gesamtschule gehabt. Auch die Ganztagsschule, die immer wieder gefordert wird, finden wir beim Gesamtschulsystem (welches im Übrigen auch keine nennenswerten Erfolge nachgewiesen hat – eher im Gegenteil).

Woran liegt es dann, dass unser Bildungsniveau sich nicht spürbar anhebt? Wir haben zum einen eine durch die Medien gesättigte Gesellschaft, die auf breiter Ebene spürbar einen Unterricht nur akzeptieren würde, wenn auch eine praxisnahe, realistisch, didaktisch aufbauende Unterhaltung geboten wird. So ungewöhnlich das auch klingen mag.

Es erfordert neue Wege der Art der Themenvermittlung. Entertainment und das Greifen nach dem erlebten, realen Bezug machen einen Unterricht lebendig. Projekte, die in einem Wettbewerb stehen – die der Industrie und Wirtschaft Innovatives liefern können. Schule als Ideengeber. Lehrer als Integrationsfiguren und Moderatoren. Glauben Sie nicht?

Ich selbst habe es jahrelang erprobt – und mit Erfolg. Das setzt aber einen vollkommen anderen Lehrertyp voraus, bzw. die beruflichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des Berufsbilds des Lehrers müssen neu definiert werden. Sonst sehe ich, wenn hier der Ansatz der Veränderung nicht gelegt wird, Pisa weiterhin ohne Ende bzw. unser Bildungsniveau im freien Fall. Bildung für Lehrer muss gefordert werden. Eindringlich. Denn die Vermittlung von Wissen in der Schule erfährt der Schüler nach wie vor durch den Lehrer – und durch niemanden sonst.

Nikolaus Andre, Berlin-Lichterfelde

Sehr geehrter Herr Andre,

Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, dass wir an unseren Schulen an vielen Stellen eine Qualitätssteigerung bei der Vermittlung von Bildung brauchen. Und die Hauptakteure dabei sind ohne Zweifel die Lehrkräfte. Die OECD hat in einer Vergleichsstudie vor wenigen Tagen nochmals die häufig wenig effektiven Unterrichtsformen deutscher Lehrkräfte bemängelt. Auch Pisa hat die Schwächen aufgedeckt, dass die Anwendungsorientierung von Wissen zu wenig im Blick ist. Das ist nicht nur für Schüler wenig motivierend, sondern auch für die Lehrkräfte sehr anstrengend. Eine Problemlösung muss an vielen Stellen ansetzen.

Wir brauchen eine Reform der Lehrerbildung. Der Abschlussbericht der von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Kommission Lehrerbildung und die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Lehrerbildung geben uns die gemeinsame Richtung vor.

Die Lehrerausbildung muss praxisorientierter erfolgen, Lehrkräfte müssen zu Wissensvermittlern, nicht zu kleinen Wissenschaftlern ausgebildet werden. Die Umstellung an den Universitäten setzt langsam ein.

Eine zweite wichtige Änderung liegt darin, dass sich der Unterricht mehr an der Lebenswirklichkeit von Schülern orientieren muss. Deshalb haben wir im Land Brandenburg bei unseren neuen Rahmenlehrplänen auf die Orientierung an der Lebenswirklichkeit von Schülern Wert gelegt. In diesem Punkt ist Ihre Anregung vollkommen richtig und bereits umgesetzt.

Wir brauchen aber auch einen Wandel im eigenen Bild der Lehrkraft. Der dozierende Alleinunterhalter an der Tafel ist nicht mehr zeitgemäß, der anleitende Hilfesteller für Schüler, der das Lernen lehrt, um Schülern ein Gerüst an Kompetenzen für die Arbeitswelt der Zukunft zu vermitteln, ist der Lehrer der Zukunft. Er muss dabei kein Entertainer sein, wie Sie vorschlagen, aber er muss glaubwürdig, kompetent und begeistert sein. Und er muss dies Schülern vermitteln.

Statt Entertainment mehr Infotainment, also schülerbezogene, gut aufbereitete Wissensvermittlung. Statt Moderator, wie Sie schreiben, mehr Motivator, also die Stärkung der Schüler in ihren eigenen Lösungskompetenzen.

Die Anforderung der Gesellschaft an Lehrkräfte wird parallel immer größer. Lehrer sollen Berater, Erzieher, Konfliktschlichter, Organisator, Manager in Personalunion sein. Sie vermitteln, diagnostizieren, bewerten ...

Das gelingt nur, wenn die Lehrkräfte an den Schulen die Unterstützung durch die Eltern erfahren, die sie nötig haben. Und das gelingt nur, wenn die Lehrkräfte ihre Kollegien als Team sehen und sie Fortbildung annehmen. Als ehemaliger Schulleiter weiß ich, dass insbesondere bei den Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte noch nicht alles Gold ist, was glänzt.

— Holger Rupprecht (parteilos) ist Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg.

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