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Meinung: PERSONALABBAU IM ÖFFENTLICHEN DIENST Wieso werden Politiker verschont?

Unser Leser Wolfgang Kurth wirft dem Tagesspiegel falsche Kritik am Öffentlichen Dienst vor. Der stellvertretende Chefredakteur Lorenz Maroldt antwortet.

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Die Frage

Betrifft: „Ein letzter öffentlicher Dienst“ in der Tagesspiegelausgabe vom 1. Oktober 2002

Wenn der Tagesspiegel solchen Artikeln ein Forum bietet, führt mich das als Abonnent zu der Frage: Bin ich hier falsch?

Der Staat hat sich immer mehr Aufgaben und immer kompliziertere Regeln gegeben, die er mit dem Personal des öffentlichen Dienstes erfüllt und eingehalten hat. Und wer war der Staat? Unsere Parlamente, unsere Abgeordneten, unsere Politiker mit ihren Dachverbänden, den Parteien. Man kann ja der Meinung sein, der Staat wäre „vor die Wand gefahren" worden – dann aber von den Wagenlenkern, nicht von den Motorenteilen, die haben in der Summe (fast immer) ordentlich ihre Aufgaben erfüllt.

Warum werden nicht die Verantwortlichen gescholten und davongejagt oder in Regress genommen? Wieso können sich die Verantwortlichen frei bedienen, aber behaupten, dass die Kindergärtnerin, die Krankenschwester, der Feuerwehrmann und der Polizist ihr Geld nicht wert sind? Warum werden nicht zuerst die Aufgaben (s.o.) reduziert, wenn man Personal reduzieren will? Wieso können die Verantwortlichen für die Misere einen „Solidarpakt" fordern und gleichzeitig ihren Beschäftigten die Solidarität und Fürsorge verweigern?

Wolfgang Kurth, Berlin-Spandau

Die Antwort

Sehr geehrter Herr Kurth,

Sie haben schon Recht: Verantwortlich für die verheerende finanzielle Lage Berlins sind nicht in erster Linie die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes. Aber sie sind, selbst von den Gewerkschaften unbestritten, Teil des Problems, und zwar: der größte. Das Land Berlin beschäftigt weit mehr Angestellte und Beamte, als wir uns leisten können, und, schlimmer noch: als wir brauchen. Auch darüber sind sich, im Prinzip, Gewerkschaften und Politiker einig.

Aber anders als Sie es in Erinnerung haben, werden die wahren Verantwortlichen, also vor allem handelnde oder eben untätige Politiker, heftig und immer wieder gescholten, auch hier, im Tagesspiegel. Fragen Sie sie doch mal! Wohl jeder Senator der vergangenen Jahre wird Ihnen das klagend bestätigen. Sie davonjagen? Das wäre, wenn überhaupt, doch wohl die Aufgabe der Wähler, also auch Ihre, nicht die von uns Journalisten. Und dass sich Politiker „frei bedienen“, wie Sie schreiben, kommt tatsächlich vor, die Zeitungen berichten darüber. Aber so allgemein behauptet, bedient das nur ein Ressentiment. Der raffgierige Politiker ist ein Klischee, ein sehr billiges obendrein, denn es scheint so schön einfach abzulenken von der eigenen Verantwortung. Der faule Beamte, den man ja hier und dort wirklich antreffen kann, ist übrigens auch so ein Klischee.

Jetzt muss es darum gehen, nach vorne zu blicken, nicht zurück. Die Schuldigen sind ausgemacht, jetzt werden Retter gesucht, dringend. Die Gewerkschaften könnten dabei sein.

Der aufgeblähte Öffentliche Dienst Berlins, übrigens vor allem erst eine Folge der Trennung Deutschlands, dann der Vereinigung, muss schrumpfen, sonst trocknet hier alles aus. Wenn es in Berlin kein Geld mehr gibt, um Schulen zu renovieren, Theater zu betreiben, Nilpferde zu füttern, dann liegt das auch am Versagen von Politikern, die das Schicksal der Stadt in die Hände von Bankmanagern legten. Aber eben nicht nur. Es liegt auch an den Gewerkschaften, die mit aller Macht, aber auf Kosten aller Bürger die Besitzstände ihrer Klientel verteidigen – wider besseres Wissen. Milliarden werden so verbrannt. Berlin steckt in der Schuldenfalle, und die Verwaltung blockiert den einzigen Ausweg. Das kann nicht richtig sein.

Lorenz Maroldt

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