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Meinung: Warum schaffen wir den „Tag der Arbeit“ nicht einfach ab?

„Nie wieder Krieg – Lichterkette über 33 Kilometer“ vom 27. April 2005 Der 1.

„Nie wieder Krieg – Lichterkette über 33 Kilometer“ vom 27. April 2005

Der 1. Mai kommt näher. Der Propagandaminister des 3. Reiches, Joseph Goebbels, erklärte 1933 den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag und nannte ihn „Tag der nationalen Arbeit“. Daraus ist schon in der Nazizeit die Kurzform „Tag der Arbeit“ entstanden. Wer heute immer noch sagt, der 1. Mai sei der „Tag der Arbeit“, spricht die Sprache von Goebbels.

Wir sollten ihn „Maifeiertag“ nennen, so steht es auch in den meisten Kalendern.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie darauf achten würden, dass im Tagesspiegel die Goebbels’sche Wortschöpfung nicht verwendet wird.

Gerke Pachali, Pfarrer im Ruhestand, Krahne

Dieser Feiertag ist nicht etwa von tapferen Gewerkschaftlern erstritten worden, genauso wenig, wie die Sozialgesetzgebung von den Sozialdemokraten stammt, sondern wurde durch nationalsozialistisches Reichsgesetz vom 27. Februar 1934 zum gesetzlichen Feiertag erhoben.

Wie so vieles, was Adolf Hitler eingeführt hat und was später wieder abgeschafft wurde, gehört auch dieser nationalsozialistische Feiertag endlich wieder abgeschafft! Wir haben genug Feiertage und genug Urlaub nebst Arbeitszeitverkürzung, da brauchen wir auch diesen Nazifeiertag nicht mehr!

Dr. Udo Lingner, Nürnberg

Sehr geehrter Herr Dr. Lingner,

sehr geehrter Herr Pachali,

um den 1. Mai als Feiertag der Arbeitnehmer ranken sich mittlerweile viele, leider auch falsche Legenden. Insofern bin ich Ihnen dankbar, einige grundlegende Missverständnisse ausräumen zu können.

Tatsächlich geht der Feiertag auf Arbeitskämpfe in den Vereinigten Staaten zurück – am 1. Mai vor 119 Jahren. Hunderttausende Arbeiter hatten damals die Arbeit niedergelegt, um für die Einführung des Acht-Stunden-Tages zu kämpfen. Dabei kam es in Chicago zu erbitterten Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten. Diese Ereignisse nahm der in Paris tagende Internationale Arbeiterkongress 1889 zum Anlass, zu einer „großen internationalen Manifestation“ für den Acht-Stunden-Tag am 1. Mai 1890 aufzurufen. Damals war in Deutschland der Zehn-Stunden-Tag üblich. Die Wahl des Datums wurde abermals von den nordamerikanischen Arbeitern beeinflusst.

Damit stand der 1. Mai als Kampf- und Feiertag der Arbeiter fest, offen war allerdings noch, wie dieser Tag begangen werden sollte. So kam es am 1. Mai 1890 in Deutschland sowohl zu Veranstaltungen nach Feierabend als auch zu Arbeitsniederlegungen. In Hamburg und Berlin beteiligten sich an dieser kollektiven „Arbeitsruhe“ rund 100000 Menschen. Die Arbeitgeber reagierten mit Aussperrungen, Massenentlassungen und Repressionen gegen Gewerkschaftsmitglieder, konnten aber die Weiterverbreitung der Idee des Maifeiertags nicht verhindern, wenngleich dessen Ausgestaltung in der Arbeiterbewegung in der Folge umstritten blieb.

Im Jahre 1919 wurde der 1. Mai von der Weimarer Nationalversammlung erstmals zum allgemeinen Feiertag erklärt. Diese Regelung ließ sich in den Folgejahren wegen veränderter Mehrheitsverhältnisse im Reichstag jedoch nicht mehr durchsetzen. In einzelnen deutschen Ländern hatte der 1. Mai als Feiertag immerhin bis 1922 Bestand. Einen traurigen Höhepunkt bildete der 1. Mai 1929 in Berlin mit etlichen Toten und Verletzten durch Auseinandersetzungen zwischen Polizei und demonstrierenden Arbeitern.

Den 1. Mai 1933 vereinnahmten die Nationalsozialisten schließlich als „Tag der nationalen Arbeit“ zu Propagandazwecken, um so die kritische Arbeiterschaft von ihrer Ideologie zu überzeugen. Bereits einen Tag später wurden Gewerkschaftshäuser überfallen, die freie Gewerkschaftsbewegung in Deutschland zerschlagen, der Tag seines internationalen Charakters beraubt. Erst am 1. Mai 1946 fanden unter dem Motto „Vom braunen Joche befreit, erkämpfen wir uns die wahre Demokratie“ wieder freie „Maifeiern“ statt.

Demnach ist der 1. Mai den Arbeitnehmern nicht geschenkt worden. Für die Durchsetzung dieses Feiertags haben viele Menschen materiell und physisch gelitten oder sogar mit ihrem Leben bezahlt. Auch sprechen die deutschen Gewerkschaften seither üblicherweise von „Maifeiern“. Vom nationalsozialistischen Umdeutungsversuch ist nur der verkürzte Begriff „Tag der Arbeit“ geblieben. Geradezu absurd ist es, aus dem Missbrauch die Forderung nach einer Abschaffung des Maifeiertags abzuleiten. Oder sollen wir am 24., 25. oder 26. Dezember arbeiten, weil die Nationalsozialisten vergeblich versucht haben, das Christfest zur „heiligen, deutschen Weihnacht“ umzudeuten?

Mit freundlichen Grüßen

— Frank Bsirske, Bundesvorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi

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