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Meinung: Was hat Deutschland von der Europäischen Union?

Zur Berichterstattung über die EU Nokia produziert in Zukunft keine Handys mehr in Deutschland sondern verlegt die Montage stattdessen nach Rumänien. Für das Werk dort gibt es anscheinend EU-Gelder.

Zur Berichterstattung über die EU

Nokia produziert in Zukunft keine Handys mehr in Deutschland sondern verlegt die Montage stattdessen nach Rumänien. Für das Werk dort gibt es anscheinend EU-Gelder. Deutschland ist Nettozahler der EU - wir fördern dann also mit unseren Steuergeldern letztendlich die Arbeitsplatzverlagerung von Deutschland nach – unter anderem – Rumänien. Noch Fragen dazu, was die EU den Deutschen bringt? Kein Wunder, dass es keiner mehr auf ein Referendum zum EU-Grundlagenvertrag ankommen lässt.

Christian Koch, Berlin-Gesundbrunnen

Ein Scheitern des EU-Grundlagenvertrags wäre eine Katastrophe für die Europäische Union. Aber warum trauen sich die Mitgliedstaaten mehrheitlich nicht mehr, ihre Bevölkerungen über einen Vertrag von einer solchen Tragweite abstimmen zu lassen. Wenn Kompetenzen von den Mitgliedstaaten auf die EU übertragen werden, wäre es nur recht und billig, die Menschen vorher nach ihrer Meinung zu fragen, gerade hier in Deutschland. Wenn man sich das nicht traut, entfremdet das die Politikerkaste dem Bürger noch mehr, als dies ohnehin schon der Fall ist. Sehen Sie sich doch mal die Wahlbeteiligungen in unserem Land in den letzten Jahren an. Sie ist in den meisten Fällen erschreckend gering. Viele fürchten, dass, wenn weitere Kompetenzen von den Staaten an Brüssel und Straßburg abgegeben werden, dies zu einer Verschlechterung bestehender Regelungen in den Ländern führen wird. Dass regionale Bedürfnisse unter den Tisch fallen.

Ich denke, die EU hat hier vor allem ein Vermittlungsproblem. Vielleicht müssen die Europapolitiker einfach mehr tun, um uns die EU näher zu bringen, uns klarzumachen, was wir von der EU haben? Mal ehrlich: Wer weiß denn, welche Aufgaben und Kompetenzen das Europaparlament oder die Europäische Kommission haben?

Andreas Schulz, Berlin-Marienfelde

Sehr geehrter Herr Koch,

sehr geehrter Herr Schulz,

ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon nicht scheitern darf. Die Europäische Union braucht die mit diesem Vertrag einhergehenden Reformen, um ihre Handlungs- und Zukunftsfähigkeit im globalen Wettbewerb sicherzustellen und selbst demokratischer, transparenter und effizienter zu werden.

Ich teile aber nicht die Auffassung, dass die Ratifizierung dieses Vertrages grundsätzlich durch Volksabstimmung geschehen soll. Wir haben in Deutschland ein erprobtes, im Grundgesetz festgelegtes System parlamentarischer Demokratie. Politiker sind dazu da, die ihnen vom Wähler übertragene Verantwortung wahrzunehmen. Genau aus diesem Grunde ist die Teilnahme an Wahlen, übrigens auch an den nächsten Europawahlen im Juni 2009, so wichtig.

Durch den Vertrag wird klargestellt, dass die EU nur dann zuständig ist, wenn die Mitgliedstaaten bestimmte Aufgaben nicht mehr zufriedenstellend wahrnehmen können. Dieses Subsidiaritätsprinzip ist ein wichtiger Pfeiler jeder europäischen Politik.

Anders als oftmals dargestellt, werden durch den Lissaboner Vertrag keine neuen Kompetenzen der Mitgliedstaaten an die EU übertragen. Der neue Vertrag wird aber dazu dienen, dass die bereits übertragenen Kompetenzen in Zukunft in einer demokratischeren und transparenteren Art und Weise wahrgenommen werden, da das Europäische Parlament in fast allen Bereichen der europäischen Gesetzgebung zum gleichberechtigten Mitentscheider wird, und der Rat nicht länger alleine hinter verschlossenen Türen entscheiden kann.

Ich stimme Ihnen zu, dass die EU ein Vermittlungsproblem hat. Aber wie sehr sich Europapolitiker auch mühen, die Menschen über ihre Arbeit zu informieren: Dies wird nur erfolgreich sein, wenn – mit Hilfe aller politisch Verantwortlichen und auch der Medien – immer wieder auf europäische Themen hingewiesen wird und ihre Bedeutung für viele Entscheidungen in Bund, Ländern, Städten und Gemeinden unterstrichen wird.

Auch ich teile die Sorgen hinsichtlich der angekündigten Schließung des Nokia-Werks in Bochum. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass diese geplante Unternehmensverlagerung mit keinem Cent aus dem EU-Haushalt subventioniert werden wird. Die europäischen Regelungen und die Beitrittsverträge mit Rumänien schließen einen derartigen Subventionswettbewerb ausdrücklich aus.

Die EU ist kein Nullsummenspiel. Alle Mitglieder profitieren von einem gemeinsamen Handeln. Die EU sichert Deutschland, der größten europäischen Exportnation, den größten und aufnahmefähigsten Absatzmarkt der Welt.

Viele Aufgaben, z. B. der Umwelt- und Verbraucherschutz, eine koordinierte Wirtschaftspolitik oder die Bekämpfung organisierter Kriminalität können nicht allein national gelöst werden. Die EU ist nicht nur ein einzigartiges Modell der internationalen Problemlösung, um das uns die ganze Welt beneidet, sondern ermöglicht auch grenzüberschreitendes Reisen und Arbeiten. In vielen Regionen gibt es Versuche, ähnliche Wirtschafts- und Rechtsgemeinschaften zu gründen. Wir haben durchaus Grund, stolz auf unsere EU zu sein. Und nicht zuletzt: die EU ist das erfolgreichste Friedensprojekt in der Geschichte Europas.

Mit freundlichen Grüßen

— Dagmar Roth-Behrendt (SPD),

Mitglied des Europäischen Parlaments

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