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Meinung: Was von Wert ist

Zum Ende des Ladenschlusses in Berlin Friedbert Pflüger verteidigt im Tagesspiegel das neue Gesetz über die Ladenöffnungszeiten des Landes Berlin, das die Öffnung der Geschäfte jetzt auch an den Adventssonntagen (und sechs weiteren Sonntagen) erlaubt. Er zeigt sich selber traurig, dass der Advent an Bedeutung verliert, argumentiert aber, keiner sei ja gezwungen, an diesen Sonntagen einzukaufen.

Zum Ende des Ladenschlusses in Berlin

Friedbert Pflüger verteidigt im Tagesspiegel das neue Gesetz über die Ladenöffnungszeiten des Landes Berlin, das die Öffnung der Geschäfte jetzt auch an den Adventssonntagen (und sechs weiteren Sonntagen) erlaubt. Er zeigt sich selber traurig, dass der Advent an Bedeutung verliert, argumentiert aber, keiner sei ja gezwungen, an diesen Sonntagen einzukaufen. Abgesehen von der fehlenden Rücksicht auf die Verkäuferinnen und Verkäufer, die nun auch sonntags verkaufen müssen, verharmlost diese Argumentation das Problem, dass hier ein Trend forciert wird.

Die entscheidende Aufgabe der Politik sei der Schutz der Grundrechte des Einzelnen, meint Pflüger, nicht das Dekretieren von Grundwerten. Aber kein Mensch verlangt doch, dass der Staat mit neuen Gesetzen „dekretiert“ und es z. B. unter Strafe stellt, wenn jemand den Sonntag nicht ruhig und besinnlich verbringt. Kritisiert wird vielmehr, dass eine (öffnende) Bestimmung neu geschaffen wurde. Wer die neue Regelung kritisiert, erwartet nicht das Dekretieren von Grundwerten, wohl aber das Bewahren eines Grundwerts, der in der Verfassung ausdrücklich formuliert ist. Auch eine Regelung wie die jetzt getroffene ist staatliche Steuerung im Werte-Bereich, selbst wenn sie nicht neue Werte „dekretiert“. Denn natürlich verstärkt diese Entscheidung einen Trend und schafft einen Sog, der die Entwicklung weiter in Richtung auf die Aushöhlung des Sonntags steuert.

Wir jammern über den Rückgang an familiärer Geborgenheit und Erziehung unserer Kinder; wir beklagen Trends, aber wenn es um politische Entscheidungen wie die über die Ladenöffnungszeiten geht, dann warnt man vor dem Schreckgespenst der Dekretierung von Werten, statt zu fragen: Welche Trends werden dadurch verstärkt? Was werden die Folgen sein, die gesellschaftlichen Kosten?

Die kleine Umfrage des Tagesspiegels zeigt (selbst wenn man einräumen muss, dass sie nicht den strengen Regeln von Repräsentativbefragungen folgt): Nur wenige sehen sich in ihrem Grundrecht auf Konsumfreiheit bedroht. Aus der Bevölkerung kommt kein Druck zu mehr Einkauf an Sonntagen. Der Druck kommt von woanders.

Dr. Karl-Heinrich Lütcke,

Berlin-Lichterfelde

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