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Meinung: Wie lange gibt es noch den Hausarzt?

„Es muss nicht immer der Hausarzt sein“ vom 29. Oktober 2005 Bis vor kurzem war der Hausarzt das „non plus ultra“ in der ambulanten Versorgung auch auf dem Lande, der hochstilisierte Lotse für den Patienten durch das Dickicht des Gesundheitswesens, der über alle wissenschaftlichen Gewässer fuhr, auch durch die, die er nur von der Oberfläche her kannte.

„Es muss nicht immer der Hausarzt sein“

vom 29. Oktober 2005

Bis vor kurzem war der Hausarzt das „non plus ultra“ in der ambulanten Versorgung auch auf dem Lande, der hochstilisierte Lotse für den Patienten durch das Dickicht des Gesundheitswesens, der über alle wissenschaftlichen Gewässer fuhr, auch durch die, die er nur von der Oberfläche her kannte.

Vorbei der große Wurf ?

Die schon fast hysterische Diskussion um den gefürchteten Ärztemangel in den ländlichen Gegenden führt derzeit zu immer größeren unsinnigen Symptomkurierereien und Kurpfuschereien am schwerkranken Patient Gesundheitswesen. Ein Gespenst geht um in der Ärzteschaft. „Arbeit im Osten ? Nein Danke!“

Auch nicht mit pekuniären Anreizen, nicht mit gestelltem Wohnhaus, nicht mit „Umsatzgarantie“ à la Brandenburg oder Dienst-PKW?

Das vom AOK -Vize geforderte „Pflichtjahr im Osten“ lässt viele Ärzteverbände und Ärzte regelrecht aufjaulen.

„Vorschlag aus Absurdistan“, „Mediziner lassen sich nicht delegieren“ – das sind die Schlagzeilen der Jünger von Hippokrates, die die Ethik ihres großen Vorbildes seit langem der „Monetik“ untergeordnet haben. Da man die Mediziner nicht aufs Land locken kann, versucht man es jetzt mit der „Aufwertung qualifizierter Pflegekräfte“, um die Versorgungslücken zu schließen.

Der letzte Schrei: Jetzt sollen „qualifizierte“ Pflegekräfte „Pflegepraxen“ auf dem weiten Lande einrichten können, mit Telematik und gelegentlichen Arztsprechstunden von weit her, um dem kommenden Ärztemangel zu begegnen. Die „Fachkräfte“ sollen dann auch vieles „verordnen“ können, was bisher den Medizinern oblag.

Kommt es zur Wiedergeburt des „ehemaligen DDR-Arzthelfers“? Der ja auch schon Rezepte und diverses anderes „verschreiben“ durfte als „Barfußarzt“ mit abgeschlossener medizinischer Viertelbildung. Medizinversorgung dritter Klasse für Menschen, die falsch wohnen und falsch wählen? Nein danke!

Wann endlich kommt einmal der große Wurf einer „Gesundheitsreform“, die mehr als eine Kurpfuscherei an den Symptomen darstellt?

Aber wie es derzeit aussieht, gehört dazu, noch Rauch in Klumpen zu ballen (Zitat Kurt Tucholsky).

Und was machen dann die „Kassenärztlichen Vereinigungen“ mit ihrem „Sicherstellungsauftrag“ für die gesamte ärztliche Versorgung, den sie offensichtlich schon heute nicht mehr gewährleisten können? Einfach das Sozialgesetzbuch V ändern?

Dr. med. Rolf Meyer, Strausberg

Lieber Herr Kollege Dr. Meyer,

Sie haben recht: Die Vorschläge von mehr oder minder berufener Seite gegen den Ärztemangel nehmen fast hysterische Züge an. Ein „Pflichtjahr im Osten“, wie es die AOK gefordert hat, ist dafür der typische Beleg.

Auch Pflegepraxen sind keine Antwort auf den aktuellen und zukünftigen Ärztemangel. Natürlich verbessert eine gute Kooperation zwischen Hausärzten und Pflegepersonal die Versorgung – insbesondere für alte und multimorbide Patienten. Wer allerdings meint, dass mit der Schaffung neuer Strukturen und damit neuer Bürokratie dem Ärztemangel und der damit verbundenen Unterversorgung zu begegnen ist, befindet sich im Irrtum.

Die hausärztliche Versorgung kann nur von gut ausgebildeten, hoch motivierten Hausärzten durchgeführt werden. Dafür gilt es, die Bedingungen für die hausärztliche Tätigkeit erheblich zu verbessern. Die aktuelle Aufgabe lautet also nicht, weitere Parallelstrukturen zu entwickeln. Dies würde nur zur weiteren Verunsicherung der Patienten führen. Sie aber haben einen Anspruch auf eine gute, vom Hausarzt durchgeführte Versorgung. Die Demonstrationen von niedergelassenen Ärzten diese Woche in Köln haben gezeigt: Viele Kolleginnen und Kollegen verlieren die Freude an ihrem Beruf, weil sie durch zu viel Bürokratie geknebelt und kein angemessenes Honorar für ihre Leistung erhalten – und das schon seit Jahren. Besonders drängend sind die Probleme in den neuen Bundesländern. Hier haben die bereit gestellten Gelder für die ambulante Versorgung im Zeitraum 1995 bis 2004 um lediglich 0,3 Prozent zugenommen. Das liegt weit unter der Entwicklung der Inflationsrate, trotz zunehmenden Rentneranteils mit höherer Morbidität, zusätzlicher Leistungen und neuer medizinischer Verfahren. Im gleichen Zeitraum sind übrigens die Ausgabenanteile für die Krankenhausversorgung um 33 Prozent gestiegen! Kein Wunder also, dass junge, fertig studierte Mediziner nicht in den Arztberuf gehen. Die chronische Unterfinanzierung muss beseitigt, die Rahmenbedingungen verbessert und Bürokratie abgebaut werden. Kein Land der Welt kann auf eine flächendeckende wohnortnahe hausärztliche Versorgung verzichten. Deshalb sollten wir alles tun, dass jeder seinen Hausarzt in der Nähe auch in der Zukunft vertrauensvoll aufsuchen kann.

Mit kollegialen Grüßen

Ihr

Ulrich Weigeldt, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)

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