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Leserkommentar: Was macht eigentlich der BND?

"Der BND-Umzug kostet zwei Milliarden" -

Das ist eine Nachricht, welche die Kleingeisterei im und um das Bundespräsidialamt glatt verblassen lässt. Wie muss man sich den BND vorstellen? Zirka 6000 Mitarbeiter, von denen zirka 300 als beamtete James Bonds, mit einer Augenklappe auf dem rechten Auge, weltweit linke Terroristen suchen? Die restlichen 5700 beamteten Büroinsassen bearbeiten indessen die Reisekostenabrechnungen und die Anträge auf Beihilfe im Krankheitsfall, einige wohl auch die Reiserouten. Bitte, lieber Tagesspiegel, erkläre mir doch, warum ich als Steuerzahler und Bürger dieses Landes dies alles brauche, das heißt, finanzieren muss. „I have a dream“ – von den zwei Milliarden Umzugskosten möchte ich die Hälfte in den Ausbau von Kindertagesstätten investieren, und von der verbliebenen Hälfte „nur“ 500 Millionen in die Berliner S-Bahn. Und was können wir tun, lieber Tagesspiegel, um Politiker zu hindern, solche Apparate wie ein Krebsgeschwür geheimnisvoll und kostenpflichtig offenbar seit Jahrzehnten unbehelligt vor sich hin wachsen zu lassen?

Dr. Ulrich Merkel, Berlin-Halensee

Lieber Herr Dr. Merkel,

der Bundesnachrichtendienst ist ja nur einer von drei Geheimdiensten, die wir uns leisten. Zuständig ist er unter anderem für die Abwehr des internationalen Terrorismus, zum Beispiel von Al Qaida. Und in den vergangenen Jahren sind in Deutschland tatsächlich ein paar Anschläge verhindert worden. Überflüssig oder nutzlos scheint mir eine solche Behörde nicht zu sein, generell stirbt der Mensch ja nicht gerne bei Bombenanschlägen, sondern lieber hochbetagt im Bett.

Ihre Zahlen stimmen nicht ganz. Von den 6000 BND-Mitarbeitern tun 1500 Dienst im Ausland, 1500 bleiben in Bayern. Der BND hat 200 geheime Außenstellen, wussten Sie das? Die geheimen Außenstellen stehen allerdings zum Teil im Internet – bitte nicht weitersagen! Die Kneipe „Pferdestall“ in Hof gehört zum BND, das „Amt für Militärkunde“ und das „Bundesamt für Ausländerfragen“ sind Tarnorganisationen des BND. Auch die Geheimcodes der Agenten findet man im Netz, das Deckwort „Avus“ bedeutet beim BND „Berlin“. Nicht sehr fantasievoll, sag’ ich einfach mal. Ursprünglich sollte der Umzug nur 720 Millionen kosten, aber es ist ja immer das Gleiche mit den Kostenprognosen. Der BND ist keine kalte, unpersönliche Behörde, er hat durchaus menschliche Seiten. Es gibt ein Kochbuch mit den Lieblingsrezepten deutscher Geheimagenten („TOPF Secret. Speisen, Spannung und Spione“). 2007 hat ein Agent den teuren Apparat des BND ausgenutzt, um die E-Mails des Liebhabers seiner Frau zu lesen. Nicht korrekt, aber irgendwie menschlich. Der Umzug des BND nach Berlin ist eine Spätfolge der Wiedervereinigung, er wertet unser heiß geliebtes Berlin weiter auf, schafft ein paar Arbeitsplätze in unserem armen Städtchen und bringt Steuereinnahmen. Aus Berliner Sicht muss man also sagen: Wenn der Bund denn schon unbedingt Geld zum Fenster hinauswerfen möchte, dann bitte auf diese Weise. Oder gehören Sie zu den Berlinern, die lieber unter sich bleiben, zu den Schwabenhassern?

Aber Ihre Frage zielt im Kern natürlich auf etwas anderes. Man wählt ein Parlament, dieses wählt eine Regierung, und die Regierung tut dann jahrelang, was sie will. Sie gibt Geld, unser schönes Steuergeld, aus für Sachen, die man blöd findet. Es gibt halt immer viel mehr sinnvolle Anlässe zum Geldausgeben als Geld vorhanden ist. Man muss entscheiden.

Volksentscheide sind ein Werkzeug, mit dessen Hilfe das Volk auch zwischen den Wahlen und sehr viel genauer als mit der Wahl einer Partei seine Wünsche und Abneigungen kundtun könnte. Viele verlangen, dass dieses Werkzeug häufiger zum Einsatz kommt. Dies wäre dann auch die Antwort auf ihre Frage – die Frage, was wir tun könnten, um Politiker zu hindern, an diesem und jenem. Es macht natürlich Arbeit, dieses Abstimmen, das darf man nicht verschweigen, und die Abstimmungen kosten voraussichtlich auch Geld. Ich selbst fände es ein wenig lästig, alle zwei oder drei Wochen zur Volksabstimmung gebeten zu werden. Die Illusion, dass es bei Volksabstimmungen niemals blöde Ergebnisse gibt, muss man sich wahrscheinlich auch abschminken.

Gegen Politiker kann man einiges sagen, aber das Volk hat auch seine Schattenseiten. Es ist so leicht erregbar. Sie, Herr Dr. Merkel, spüren das doch sicher auch. Einer plappert dem anderen nach. Und plötzlich sind alle einer Meinung, bis am nächsten Abend was anderes im Fernsehen kommt, dann sind plötzlich alle wieder dagegen, obwohl sie kurz davor noch dafür waren. Eine direkte Demokratie ist bestimmt kein Zuckerschlecken.

Noch eins: Wollen Sie wirklich der S-Bahn 500 Millionen geben? Bei dem Management? Die überweisen das Geld doch bloß als Gewinn an die Bahn, und fertig. Harald Martenstein — , Autor des Tagesspiegels

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