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Die Geisterräder von Berlin - jedes zum Gedenken an einen getöteten Radfahrer oder eine getötete Radfahrerin.

© dpa

Leserkommentar: Radfahrer im Dunklen: Denn sie wissen nicht, was sie tun

Unser Leser Horst Petri, selbst leidenschaftlicher Radfahrer, kritisiert in seinem Kommentar das Verhalten und die Ausstattung vieler Radler. Diskutieren Sie mit oder senden auch Sie einen Leserkommentar!

Ein Autofahrer fährt am Abend auf eine Kreuzung zu. Kurz vor dem Überqueren nähert sich von links ein Schatten. Vollbremsung. Erst jetzt erkennt der Halter das Fahrrad und die Silhouette einer dunkelgekleideten Frau mit einem Kind auf dem Rücksitz. Sie fährt unbeirrt weiter. Er hupt vor Angst, Erschrecken und Wut. Ein Alptraum könnte sich erfüllt haben. Das einzige, was er im Scheinwerferlicht noch hell aufleuchten sieht, ist ein ausgestreckter Finger am hocherhobenem Arm der Frau.

Alltag in Berlin, wo die Nächte lang sind, und der Frühling die Radler wieder zu tausenden auf die Straßen lockt. Schon jetzt zählt die Hauptstadt zu den fahrradfreundlichsten Deutschlands. Derzeit liegt der Verkehrsanteil der Räder im gesamten Stadtgebiet bei 13 Prozent, im Stadtinneren bei über 25 Prozent. Wenn es nach der Senatsplanung geht, soll er in den nächsten Jahren um die Hälfte gesteigert werden. So verwundert es nicht, dass die erste große Fahrradmesse, die "VELOBerlin", vom 26.-27.März 2011 in der Hauptstadt veranstaltet wurde. In einer Sonderbeilage "Fahrradkultur" und einem Artikel im Hauptteil berichtete der Tagesspiegel vom 23.3.2011 ausführlich über die Fachmesse und die Vorstellungen des Umweltverbandes "Bund" zur Verkehrsplanung für Fahrräder in der Stadt. Unter den ca. 150 genannten Messeausstellern fand sich bis auf einige Veranstalter zur Verkehrserziehung von Kindern kein einziger für eine Unfallprävention von Erwachsenen. Speziell die Polizei war hier nicht vertreten. Auch der "Bund" hat nur Empfehlungen zur Stadtplanung parat; hält sich aber offensichtlich nicht für zuständig für eine breite Aufklärung zu einer gesundheitlich und moralisch verbesserten Radfahrkultur.

Die euphorische Aufbruchstimmung für die Zukunft des Fahrrads wird nur durch eine gerade angelaufene Plakataktion des Polizeipräsidenten in Berlin unter dem Titel "Verkehrsopferbilanz Berlin 2010 - eine leidvolle Botschaft" getrübt. Daraus erfährt man: "Alle zwei Stunden verunglückte ein Radfahrer". Umgerechnet aufs Jahr sind das 4300 Unfälle, die vermutlich hohe Dunkelziffer nicht mit eingerechnet. Dabei liegt die Zahl der getöteten Radfahrer über der der Autofahrer. Die Zahl schwerer und schwerster Verletzungen mit dauerhaften Behinderungen wird in der Statistik nicht gesondert aufgeführt. Auch nicht die Ursachen und Umstände.

Sicher scheint jedoch, dass Fahrräder ohne ausreichende Beleuchtung in einer verkehrsreichen Stadt wie Berlin ein epidemisches Ausmaß angenommen haben. Ihre Besitzer handeln nicht nur sich selbst gegenüber fahrlässig, sondern auch in aggressiver Weise verantwortungslos gegen die Autofahrer, die letztlich vor ihrem Gewissen und auch vor dem Gericht die Folgen des Unfalls tragen müssen.

Trotz der Plakataktion der Polizei bleiben ihre konkreten Möglichkeiten zur Eindämmung der Verkehrsverstöße, wie ein Sprecher einräumte, gleich Null. "Sie wissen nicht, was sie tun", sagte er hilflos, "bevor nicht ihre Seele oder die ihrer Kinder auf dem Weg ins Jenseits sind, oder ihre Körper auf dem Operationstisch zusammengeflickt werden. Dagegen hilft kein Bußgeld und kein Fahrverbot."

Schöne Aussichten für Bestattungsinstitute, chirurgische Kliniken - und die Erfüllung der Albträume von Autofahrern bei der geplanten Ausweitung der "Fahrradkultur".

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Horst Petri

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