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Atomverhandlungen mit Iran: Lieber kein Abkommen als ein schlechtes

Am Ende müssen die Atomverhandlungen mit dem Iran bestimmte Kriterien erfüllen - sonst sollten sie lieber weitergeführt werden

Überschattet von der eskalierenden Lage im Irak ging die fünfte Runde der Gespräche zwischen den P5+1 (USA, Russland, China, EU, Frankreich, UK und Deutschland) und dem Iran zu Ende. Gleichzeitig fanden auch bilaterale Gespräche zwischen den USA und dem Iran über das Vordringen der Isis im Irak und eine mögliche Kooperation im Kampf gegen die Extremisten statt. Der Preis für eine solche Zusammenarbeit darf jedoch nicht in einer Aufweichung der entschiedenen amerikanischen Haltung in der Nuklearfrage bestehen. Das Problem des Vordringens der Isis im Irak und das iranische Nuklearprogramm sollten getrennt voneinander behandelt werden.

Wir stehen kurz vor dem Ende der sechsten Verhandlungsrunde. Bis zum 20. Juli soll ein Abkommen unter Dach und Fach gebracht werden. Angesichts der beträchtlichen Kluft zwischen den Positionen ist es alles andere als sicher, dass es bis dahin eine Einigung geben kann. Vier Szenarien sind möglich: Es gibt ein Abkommen, es gibt kein Abkommen, die Verhandlungen werden fortgesetzt, oder die Verhandlungen werden suspendiert.

Eine Suspendierung der Gespräche ist keine Option

Was bedeuten diese Szenarien? Aus der Sicht des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist ein Abkommen dann erfolgreich, wenn die gesamte iranische nukleare Infrastruktur abgeschafft wird und der Iran außerstande wäre, seine militärischen nuklearen Pläne zu verwirklichen. Man kann davon ausgehen, dass diese Definition von „erfolgreich“ auch von den Saudis und anderen Golfstaaten geteilt wird. Da sich die USA aber nolens volens und trotz der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats damit abgefunden haben, dass der Iran die Anreicherung von Uran nicht gänzlich stoppen wird, ist dieses Ziel illusorisch. Was wäre dann eine realistische Definition eines erfolgreichen Abkommens? Der Iran müsste einen Großteil der Zentrifugen (die das Land bereits erhält) abschaffen und dürfte nur eine kleinere Anzahl weniger moderner Zentrifugen behalten; das Land müsste die Zahl der Zentrifugen begrenzen und dürfte nur niedriger angereichertes Uran herstellen, die Anlage in Qom müsste geschlossen werden; der Schwerwasserreaktor in Arak müsste so umgewandelt werden, dass kein waffenfähiges Plutonium hergestellt werden kann; der Iran müsste alle noch offenen Fragen der IAEA zur militärischen Dimension des Programms beantworten und beweisen, dass dieses Programm, wie behauptet, nur friedlichen Zwecken dient. Iran muss ein rigoroses Inspektionsprogramm akzeptieren. Das Abkommen müsste unter Kapitel 7 des Sicherheitsrats verankert werden und mindestens 20 Jahre Gültigkeit besitzen. Und die Aufhebung der Sanktionen sollte erst mit Abschluss des Abkommens und dessen Implementierung erfolgen.

Ein Abkommen, das diese Elemente nicht enthält, wäre ein schlechtes Abkommen, und es würde regional wie global unvorhersehbare Folgen nach sich ziehen. Die Kopfschmerzen, die das iranische Nuklearprogramm auslöst, mit der Einnahme einer Tablette zu bekämpfen, hätte höchstens kurzfristig Wirkung. Deshalb ist kein Abkommen besser als ein schlechtes Abkommen. Sollte es nicht gelingen, die Meinungsunterschiede bis zum 20. Juli zu überwinden, sollten die Parteien die Verhandlung fortsetzen in der Hoffnung, dass die zusätzliche Zeit in Kombination mit den Sanktionen den Iran dazu bewegen, seinen bisher kompromisslosen Kurs aufzugeben.

Eine Suspendierung der Gespräche zu diesem Zeitpunkt ist nicht im Interesse der Verhandlungspartner – selbst wenn der Iran sich schon auf Schuldzuweisungen vorzubereiten scheint. Ein solches Szenario könnte die Option einer israelischen Militäraktion wieder auf den Tisch bringen. Meines Erachtens ist dies keine echte Option für Israel, sie würde dem nationalen Interesse großen Schaden zufügen.

Deshalb ist klar: Nur ein Abkommen, das die oben beschriebenen Elemente enthält – selbst wenn es eine Verlängerung der Verhandlungszeit nötig machte – wäre ein gutes Abkommen.

Shimon Stein war von 2001 bis 2007 israelischer Botschafter in Deutschland und ist Senior Fellow am Institut für Sicherheits-Studien an der Tel Aviv Universität.

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