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Die Linkspartei steckt in der Identitätskrise. Da kann auch Gregor Gysi nicht helfen.

© dapd

Linkspartei: Die PDS kehrt zurück

Schlagzeilen macht die Linke nicht mehr mit Wahlerfolgen, sondern mit vermeintlichen oder tatsächliche Verfehlungen ihrer Führungsfiguren. 20 Jahre nach der Einigung befindet sich die Linkspartei in einer tiefen Identitätskrise.

Von Matthias Schlegel

Sie nehmen es ernst. In der Linken hat solch eine Feststellung doppelte Bedeutung. Seit Klaus Ernst als Kopilot von Gesine Lötzsch die Partei führt, hat der Missmut in den Reihen der Linken Konjunktur. Der einstige bayerische Gewerkschaftsfunktionär mit den vielgescholtenen Lebemannallüren hat mehr oder weniger unfreiwillig jene Ost-West-Polarisierung in der Partei vorangetrieben, der doch gerade mit der Führungsparität begegnet werden sollte.

Und so nimmt man in der Partei auch ernst, dass das unterirdische Beben nun mit dem Plan einiger Unzufriedener zum Ausbruch drängt, eine Art Landesgruppe Ost zu gründen. Alle haben sie sich in Interviews und Statements dazu eingelassen, die Gysis, Bartschs und Ramelows dieser Partei, ja, auch die Anführer Ernst und Lötzsch selbst.

Was für die CDU oder die SPD auch 20 Jahre nach der deutschen Einheit noch selbstverständlich ist, nämlich dass es eigens benannte Sprecher für die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten, bei der SPD gar eine Landesgruppe Ost gibt, ist bei den Linken verpönt. Die einzige Partei, die sich – in einem zähen, mühevollen Prozess – von Ost nach West ausgedehnt hat, hatte schnell erkannt, dass ihre Klientelpolitik der Nach-SED-Ära für den geschundenen und vernachlässigten Ossi ein Auslaufmodell war. Nur mit einer Öffnung auf einen antikapitalistischen Kurs im Rahmen der verfassungsmäßigen Grenzen waren jene linken Kräfte im Westen zu reanimieren und einzufangen, die der Partei auch langfristig das Überleben sichern würden. Gregor Gysi war das seit langem bewusst. Er knüpfte seine Fäden, und der Wind der Veränderung wehte ihm Oskar Lafontaine ins Netz. Dass sich die Partei dabei auch viele Radikalinskis und Hasardeure einfing, nahm er billigend in Kauf. Der Einzug der Linken in westdeutsche Landtage war der vorläufige Höhepunkt einer von den Erfolgen ganz torkelig gewordenen Partei.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Schlagzeilen macht die Linke nicht mehr mit Wahlerfolgen, Stimmenzuwächsen und Inhalten, sondern mit vermeintlichen oder tatsächliche Verfehlungen ihrer Führungsfiguren – und mit artikuliertem Missmut ihrer Mitglieder darüber. Und mit ihrem Frust, dass die Partei mit ihren politischen Wunschzetteln nicht mehr bis an die Öffentlichkeit durchdringt. Eine Partei in der Selbsterfahrungsgruppe.

So gesehen, könnte auch die jüngste Attacke der Unzufriedenen als ein Thema abgetan werden, das vielleicht schon morgen Schnee von gestern ist. Doch es wird ernst genommen, weil es die Partei ins Mark trifft. Vor den für die Linken so entscheidenden Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland- Pfalz kommt eine Abrechnung mit den innerparteilichen Kräften Lafontain’scher Prägung zur Unzeit. Und ein Rückfall in PDS-Zeiten wäre für die Partei der GAU.

Vorläufig können Gysi und Lafontaine den Showdown vielleicht noch abwenden. Langfristig wird die Partei sich bekennen müssen, wo sie steht und wo sie hin will. Und mit wem. Spätestens, wenn sie ihr Parteiprogramm vorlegt.

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