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Loveparade in Duisburg: Das Schweigen zu den Ermittlungen gleicht einem Skandal

Bis zum Ende der Ermittlungen den Mantel des vorläufigen Schweigens darüberzulegen, wie es der Veranstalter, die Stadtverwaltung, der Oberbürgermeister versuchen, um sich und ihre Mitarbeiter nicht in Schwierigkeiten zu reden, macht aus einem Trauerfall auch noch einen Skandal. Ein Kommentar.

So viele Tote bei der Loveparade. Noch Tage danach stockt den Verantwortlichen der Atem, wie es scheint. Sie finden weder Erklärungen noch Worte, die zu trösten vermögen; wenn sie erst richtig zum Nachdenken kommen, wird es noch schlimmer werden. Der Schmerz wird bleiben – die Empörung auch.

Ein Tunnel, durch den solche Massen hindurchsollten! Nicht nur ein paar Tausend, was schon schlimm genug gewesen wäre. Und die Polizei soll die abgewiesen, ja zurückgewiesen haben, die aus dem Ganzen herauswollten? Es klingt, als könne das alles nicht wahr sein. Und dann ein Gelände für 250 000, vielleicht 350 000 Menschen, auf dem mindestens die dreifache Anzahl gewesen sein soll. Gut anderthalb Millionen Menschen, nach den Erfahrungen der Vorjahre – das ist doch, als mache sich fast ganz Hamburg auf den Weg, die zweitgrößte deutsche Stadt.

Die sich das in Duisburg ausgedacht haben, haben sich schuldig gemacht. Menschliches Versagen war es in jedem Fall. So viel steht schon einmal ohne Ermittlungen der Staatsanwaltschaft fest. Der in Duisburg übrigens, was angesichts der Katastrophe ein Fehler ist. Vermeide schon den bösen Schein: Werden die Staatsanwälte womöglich versucht sein, die Lage … Nicht auszudenken. Besser wäre, die Ermittlungen der Behörde einer anderen Stadt zu übertragen. Für die Arbeit der Polizei gilt das – immerhin.

Aber bis zum Ende der Ermittlungen den Mantel des vorläufigen Schweigens darüberzulegen, wie es der Veranstalter, die Stadtverwaltung, der Oberbürgermeister versuchen, um sich und ihre Mitarbeiter nicht in Schwierigkeiten zu reden, macht aus einem Trauerfall auch noch einen Skandal. Es war doch alles absehbar. Wer konnte im Ernst meinen, dass das so geht? Wer hat solche Planungen nicht nur gesehen, sondern gebilligt? Wer hat – oder eben nicht – gewarnt? Wer hat welchen Druck ausgeübt, damit Duisburg auch einmal wichtig ist, glänzt, hervorsticht? Oder hat sich Duisburg selbst den Druck gemacht? Alles das muss ausgeleuchtet und aufgeklärt werden. Und die Interessen der linken wie der rechten politischen Seite gleich mit.

Das wird noch sehr, sehr unangenehm. Der zurückliegende Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen hat gezeigt, wie hart es dort werden und wie einer dem anderen übel mitspielen kann. Das kann alles wiederkommen. Warum? Der Oberbürgermeister von Duisburg ist ein Exot, als CDU-Mann ist er einer der letzten in dieser Funktion im Ruhrgebiet. Der neue Innenminister von NRW, der SPD-Mann Ralf Jäger, kommt aus Duisburg. Und die neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, eine aus dem Ruhrgebiet, hat sich vor ihrer Wahl sehr für Duisburg als Veranstaltungsort stark gemacht. Fritz Pleitgen, der Chef von „Ruhr 2010“, der Kulturhauptstadt Europas, ist auch ein – Duisburger. Da liegt Munition für Angriffe von allen gegen alle Seiten. Und in NRW geschieht das bekanntermaßen ohne Rücksicht auf Verluste.

Duisburg ist von der Landesregierung abhängig, kann keinen Etat ins Werk setzen ohne Zustimmung aus der Landesregierung in Düsseldorf. Fühlte sich also die Stadt herausgefordert, sich zu beweisen? Oder bedrängt? Regierte die Angst oder der Unverstand? Gab es Prestigedenken, das kühles Abwägen wie vor Jahresfrist in Bochum überwog, oder waren alle, die sie da bei der Pressekonferenz des Schreckens saßen, nur unfähig, in je ihren Ämtern fehl am Platz? Waren sie verantwortungslos aus Dummheit oder aus Fahrlässigkeit?

Es ist eine Warnung an die, die solche Veranstaltungen in Zukunft noch planen und umsetzen wollen: Sie müssen die Dimension bei allem mitdenken. Das ist im Ruhrgebiet wohl erst geschehen, als die Katastrophe passiert war.

Herausgefordert sind die Stadt Duisburg und die neue rot-grüne Regierung in Düsseldorf in jedem Fall. Denn Sprachlosigkeit, Erklärungslosigkeit und der Mangel an Urteilsvermögen wiegen mit jedem Tag schwerer. Drum: Aufklärung muss her! Schnell! Und Gerechtigkeit! Für die Opfer. Als tätiges Gedenken.

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