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Mario Monti verändert Italien, hat aber auch noch alte Sorgen.

© Reuters

Mario Monti: Das neue alte Italien

Mario Monti, der italienische Ministerpräsident, verändert Italien. Er sendet Hoffnungszeichen in das eigene Land und die Euro-Zone. Aber gerettet ist Italien damit noch lange nicht.

Manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder. Auch in der Politik. So hat Italien nach allen Jahren der Betörung und Beschämung durch den Egomanen Berlusconi einen Ministerpräsidenten, mit dem das Land plötzlich wie verwandelt erscheint. Das hat der magische Mario Monti geschafft.

Als kürzlich die Saison der Mailänder Scala – alljährlich ein Ereignis, das Fernsehsender in die ganze Welt übertragen – mit Mozarts „Don Giovanni“ unter dem Dirigat von Daniel Barenboim eröffnet wurde, da geschah etwas Unerhörtes. Als am Ende der mörderische Herzensbrecher Don Juan wegen seiner Laster zur Hölle geschickt wird, trat der ihn anklagende Komtur nicht auf der Bühne, sondern zur allgemeinen Verblüffung in der Präsidentenloge auf. Der Darsteller von Recht und Rache, von Ehre und Moral stand direkt zwischen Italiens Staatspräsidenten Giorgio Napolitano und dem Ministerpräsidenten Monti – so schmetterte er seine Verwünschungen aus dem goldenen Rang hinab in den großen Saal.

Man stelle sich vor, dass da auf Montis Platz noch der Bunga-Bunga-Buffo gesessen hätte. Jedoch, Berlusconi hatte ja andere Vorlieben als die Hochkultur.

Paris, Brüssel und soeben auch die Kanzlerin in Berlin haben Italiens neuen Ministerpräsidenten respektvoll hofiert. Haben anerkannt, dass es der parteiunabhängige Wirtschaftswissenschaftler und frühere EU-Kommissar mit seiner Regierung der Experten in wenigen Wochen geschafft hat, Spargesetze, eine Rentenreform und weitere Konsolidierungsprojekte im römischen Parlament durchzusetzen. Selbst auf den unerbittlichen, undurchsichtigen Finanzmärkten gehen jetzt italienische Staatsanleihen zum kräftig erniedrigten Zinssatz über den elektronischen Tresen.

Damit ist weder Italien schon gerettet noch sind die anderen Euro-Staaten bereits aus dem Schneider der politisch und finanzkapitalistisch beförderten Schuldenkrise. Aber Italien, neben Griechenland das zweite kulturelle Kernland Europas, sendet wieder Hoffnungszeichen. Auch für die Italiener selber. Sie folgten Berlusconi nie in ihrer absoluten Mehrheit, sie haben ihn nur sehr lange aus Mangel an überzeugenden Alternativen und infolge der täglichen Gehirnwäsche durch die Medienmacht des Mailänder Parvenüs ertragen. Monti, der gebildete Großbürger, setzt dagegen nun Zeichen eines auf seriöse Diskussion, persönlichen Respekt und zivile Verantwortung gegründeten politischen und publizistischen Stils. Er verändert das gesellschaftliche Klima – und verzichtet in der Krise demonstrativ auf sein Ministerpräsidentengehalt.

Das hat auch bei den eher reformfeindlichen Gewerkschaften und der traditionell staatsskeptischen Bevölkerung Eindruck gemacht. Trotzdem wird Monti nicht nur Rentnern, kleinen Angestellten und Miniunternehmern die Lasten der Einsparungen aufbürden können.

Will er nicht – wie es derzeit in Griechenland geschieht – jeden Spielraum für öffentliche Investitionen abschnüren, muss er mit Vermögensteuern auch die Wohlhabenden an der Staatsrettung beteiligen. Italien ist, gemessen am Geldvermögen pro Einwohner (vom privaten Kunst- und Landbesitz ganz zu schweigen), reicher als Deutschland. Und Roms Parlamentsabgeordnete, von deren weiterer Duldung Monti freilich abhängig ist, verdienen fast das Doppelte ihrer Berliner Kollegen. Alessandra Mussolini, die bekannte Enkeltochter des „Duce“, hat eine Kürzung der Politikerprivilegien bereits als „Anstiftung zum Selbstmord“ bezeichnet. Auch das ist, noch immer, Professore Montis unfassbar schönes Italien.

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